Zitate zu "Wettbewerb"
-
Günther Anders
Unter den Mächten, die uns heute formen und entformen, gibt es keine mehr, deren Prägekraft mit der der Unterhaltung in Wettbewerb treten könnte.
-
Dkfm. Dr. Hannes Androsch
Wenn man in Österreich Wettbewerb sagt, meint man protektionistische Maßnahmen.
-
Baron Verulam and Viscount St. Albans Francis Bacon
Eltern, Lehrer und Diener haben die törichte Gewohnheit, zwischen Brüdern während der Kinderzeit einen Wetteifer zu erzeugen und zu nähren, der oft in Zwietracht ausartet, wenn sie herangewachsen sind.
-
Wolfgang Bauer
Ganz allgemein ist das Plagiieren etwas Natürliches. Alles menschliche Werden, Tun und Lernen unterliegt dem System der Plagiatur. Nachäffen und -eifern ist unser aller Lieblingsbeschäftigung, ist menschliches Grundmuster.
-
James McGill Buchanan jr.
Europa braucht mehr Wettbewerb unter den einzelnen Nationen und muß gleichzeitig die wirtschaftliche Integration verstärken. In den USA müssen wir unser monolithisches Zentrum aufbrechen und den Bundesstaaten mehr Macht zurückgeben.
-
James McGill Buchanan jr.
Wir brauchen einen echten wettbewerbsfähigen Föderalsismus, bei dem die Regierungen miteinander im Wettbewerb stehen.
-
Dr. Erhard Busek
Ich akzeptiere die Quotenentwicklung, Wettbewerb ist Bestandteil unseres Gesellschaftssystems.
-
Eddie Cantor
Urlaub ist nur eine der Mehrkampfdisziplinen im Wettbewerb mit den Nachbarn.
-
Dale Carnegie
Jeder erfolgreiche Mensch liebt das Spiel, das ihm die Möglichkeit bietet, sich selbst zu bestätigen, seinen Wert zu beweisen, sich auszuzeichnen, zu gewinnen. Aus dem gleichen Grund werden auch Wettbewerbe durchgeführt, wer am schnellsten laufen, am besten kegeln, am meisten Pudding essen kann. Sie verdanken ihre Beliebtheit einzig dem menschlichen Wunsch, sich hervorzutun, dem Verlangen nach Bedeutung. Fordern Sie die andern zum Wettbewerb heraus.
-
Theodor Fontane
Über Plagiate sollte man sich nicht ärgern. Sie sind wahrscheinlich die aufrichtigsten aller Komplimente.
-
John Kenneth Galbraith
Der Wettbewerb liegt schon im Instinkt des Unternehmers.
-
Joachim Gauck
"Alles bleibt in Bewegung." Diesen Satz habe ich in der Ankündigung zum diesjährigen Zeitungskongress gefunden und dachte mir: Ach, das passt! Besser kann man kaum auf das Thema Transformation der Medienwelt hinweisen. Wenn alles in Bewegung bleibt, dann darf vielleicht auch Ihr Abschlussredner ein wenig weiterdenken und weiterfragen, statt künstlich so etwas wie einen Endpunkt zu setzen. Offen für den Wandel zu sein, das heißt ja auch: Offenheit aushalten, keine fertigen Antworten erzwingen. Und deshalb bin ich dankbar, dass Sie mich eingeladen haben, hier bei Ihnen zu sprechen. // Um im Bild zu bleiben: Zeitungsverleger zu sein, das ist im Jahr 2013 tatsächlich für einige ein ergebnisoffenes Geschäft. Wenn ich ins Programm schaue, dann ahne ich, dass Sie gerade ausführlich eine Reihe von Schwierigkeiten, Problemen diskutiert haben: den scharfen Wettbewerb am Medienmarkt, die Einbrüche bei den Anzeigen, die Schließung von Redaktionen oder ganzen Zeitungen, die Klippen der Digitalisierung und vieles mehr. // Allerdings: Im aktuellen Jahresbericht Ihres Verbandes sind zugleich Fakten nachzulesen, die auch zuversichtlich stimmen können, die schwarze Zahlen und keine schwarze Zukunft verheißen. Welchen Überschriften darf ich also glauben? - allen, so habe ich es mir sagen lassen. Denn was die einen als existentielle Krise erleben, ist für die anderen eine hochrentable Phase. Hier schließt ein Hauptstadtbüro, dort wächst die "Landlust". Hier verliert eine Zeitung Papierliebhaber, dort geht ein anderes Blatt erfolgreich online. Parallelwelten, so empfinden wir es, tun sich auf. Das Wort Zeitungskrise beschreibt eben nur eine Realität. Deshalb bin ich gern gekommen zu Ihrem Kongress, der einen zweiten, einen genaueren Blick auf die viel zitierte Krise wirft und vor allem: der auch einen Blick nach vorn wagt. // Wie ich gehört habe, stand bislang trotz aller Schwierigkeiten öfter das halbvolle Glas als das halbleere Glas vor den Diskutanten. Das ist gut so, denn apokalyptische Debatten um das Zeitungssterben bringen weder die Verlage, noch die Redaktionen, noch die Leserschaft voran. Im Gegenteil: Wer vom Sterben spricht, der hat ja den Weg in die Zukunft aufgegeben. Stattdessen auf Transformation zu setzen, auf neue Geschäftsmodelle, das ist in meinen Augen nicht romantisch oder weltfremd, sondern eben realistisch. Allerdings werden Sie alle dazu sicherlich Mut brauchen. // Ich wage heute den Satz: Die Zeitung hat eine Zukunft. Ihre Form mag veränderlich sein, vielleicht auch in Frage stehen. Aber ihre wichtigste Rolle für ein tieferes Verständnis und die Weiterentwicklung unserer Demokratie kann und sollte konstant bleiben. Ich meine und ich spreche vom Qualitätsjournalismus. // Qualitätsjournalismus ist nicht an eine bestimmte Form gebunden - etwa an das Papier -, sondern natürlich an Inhalte, an eine Methode, die journalistische Methode. Der Journalismus der Zukunft mag ganz oder auch teilweise anders aussehen und anders funktionieren als heute. Das mag sein. Aber ich bin ganz zuversichtlich: Es wird ihn geben! Denn vieles verändert sich um uns herum, eines jedoch bleibt: Es gibt nicht nur das Bedürfnis nach Unterhaltung, sondern auch das Bedürfnis nach Information. Unser Bedürfnis nach Klarheit und Orientierung, nach verlässlichen Fakten und verständlicher Deutung, das wird fortbestehen, auch weil mehr und mehr Nachrichten ungefiltert auf uns einströmen. // Eine gute Zeitung wird uns deshalb die Zeit, unsere Zeit, erklären. Qualitätsjournalismus ist etwas anderes als eine mit Fotos aufgehübschte Sammlung von Agenturmeldungen oder PR-Texten. Eine gute Zeitung wählt Nachrichten nach Kriterien der Relevanz aus, ordnet sie in Zusammenhänge ein, interpretiert und bewertet sodann das Geschehen. Eine gute Zeitung leistet also genau das, was wir angesichts der Informationsflut dringend brauchen: Sie zeichnet große Linien und vermittelt verschiedene Standpunkte. // Meine Damen und Herren, ich danke jedem Einzelnen von Ihnen, der sich für Qualitätsjournalismus in unserem Land stark macht! Bitte betrachten Sie diesen Dank - neben wenigen kritischen Anmerkungen, die ich Ihnen heute vielleicht zumute - als meine wichtigste Botschaft. Danke für alles, was Ihre Zeitungen unserer Demokratie an Erkenntnis, an Meinungsvielfalt und an Debattenreichtum schenken! // Sie merken, einem Zeitungspessimismus kann ich nicht das Wort reden. Allerdings möchte ich auch nicht in das Gegenteil verfallen, in einen naiven, schönfärberischen Blick auf die Lage. Es stellt sich durchaus die Frage: Ist die wichtige Funktion der Zeitungen für unsere Demokratie durch die Veränderungen am Markt gefährdet? // Ich habe den Eindruck: Die Risiken existieren, sind unübersehbar, weil die Transformation am Zeitungsmarkt die Rolle des Journalismus für unsere Demokratie im Kern berührt. Und mit diesem Kern meine ich genau den Teil von Qualität, der sich nicht in Papiermengen oder Pixeln messen lässt, sondern eine Konstante bei allem Wandel bleiben muss: die Glaubwürdigkeit einer Zeitung. Glaubwürdigkeit, das ist für mich genau das, was eine gute Zeitung ausmacht. Glaubwürdigkeit muss guten Journalismus auch künftig prägen, wenn wir einmal alle Äußerlichkeiten - alle Form- und Formatfragen - beiseitelassen. // Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Exkurs. Das Miteinander - oder sagen wir: Nebeneinander - von analogen und digitalen Zeitungen ist weit mehr als eine Formfrage, das habe ich jedenfalls so gelernt. Viele Stunden dieser Konferenz waren diesem Thema gewidmet. Gestern Abend habe ich noch überlegt, ob ich mich auf die Debatte um "Pixel versus Papier" als Laie überhaupt einlassen sollte. Kulturpessimismus gehört bekanntlich nicht zu meiner Arbeitsplatzbeschreibung. Jetzt, wo ich in einem Saal voller Experten stehe, möchte ich am liebsten behelfsmäßig ein paar Vergleiche heranziehen, wie Sie es auch in Ihrem Konferenzprogramm getan haben. Unter dem Motto: Die totgesagte Musikindustrie? Es gibt sie noch! Der totgesagte Ladenhandel? Es gibt ihn noch! Was gilt also für die totgesagte Papierzeitung? - Ich gebe zu, mir gefällt der Gedanke, dass auch in vielen Jahren große Leserschaften eine Zeitung anfassen und darin blättern, vielleicht sogar einen klugen Kommentar ausschneiden, wie ich es öfter mache, aufbewahren und bei Gelegenheit daraus zitieren. // Allerdings wäre es töricht, die Technik von morgen mit dem Erfahrungshorizont von gestern zu begrüßen. Gerade das Internet, eine Kulturrevolution im Range des Buchdrucks oder der Dampfmaschine, wird unser Leben weiter verändern und vielleicht viel stärker, als wir es derzeit prognostizieren können. Und: Mit dem Siegeszug des Internets haben die klassischen Medien ihr Informations- und Deutungsmonopol ja offenkundig verloren. Schon jetzt ist die traditionelle Rollenaufteilung zwischen Absender und Empfänger einer Nachricht, zwischen Produzent und Konsument, wie wir sie von der Papierzeitung kennen, online aufgehoben. Schon jetzt werden Nachrichten aller Art in Windeseile verbreitet und zwar weltweit. Schon jetzt fühlen sich Millionen Menschen von der Informationsflut, die so entsteht, fast hinweggespült. Professionelle Kommunikatoren - auch Politiker - investieren viel Kraft, um ihre Botschaft trotzdem an den Mann oder an die Frau zu bringen. Und schon jetzt gibt es Augenblicke, in denen kurze Tweets große Umwälzungen vorantreiben, denken wir nur an den Arabischen Frühling. // Freilich: Wie stark das Internet die Verbreitung und den Stellenwert von Nachrichten beeinflussen wird, können selbst die klügsten Zukunftsforscher nicht vorhersagen, jedenfalls nur bruchstückhaft erahnen. Das Ausmaß des Wandels ist für kaum jemanden absehbar. Manches unterschätzen, aber anderes überschätzen wir wohl auch. Umso mehr lohnt es sich, den Spielraum für Qualitätsjournalismus immer neu auszuloten. // Bei genauem Hinsehen ist ja manche neue Kommunikationsform auch nicht unbedingt eine Konkurrenz für die Zeitung. Es hat sich nämlich herumgesprochen, dass man mit 140 Zeichen keine Grundsatzdiskussion führen, aber gut auf Orte der Debatte - etwa auf Online-Zeitungen - verweisen kann. Außerdem setzt sich die Erkenntnis durch, dass anonyme Schwarmintelligenz zwar mitreißt, aber so manchen Blogger eben auch reinreißt, weil Quellen unklar bleiben und Fakten und Meinungen verschwimmen. Und der Verlust von Klarheit wird in aller Regel auch als Verlust von Wahrheit empfunden. Technisch gesehen kann heutzutage jeder mit wenig Aufwand Nachrichtenmacher sein. Aber was bedeutet das für den professionellen Journalismus? Und was bedeutet es darüber hinaus für unsere Demokratie? // Zumindest mittelfristig kann die ungefilterte, oft emotional getriebene Massenkommunikation im Netz die Zeitung als Quelle nicht ersetzen. Wir werden weiterhin angewiesen sein auf Kommunikation mit Spielregeln, auf Nachrichten, die mit professionellem Ethos gesammelt und erstellt und im Bewusstsein ihrer Qualität rezipiert werden. Eine funktionierende Demokratie braucht verlässliche Berichterstattung. Sie braucht seriöse Einordnung und sachkundige Interpretation des Geschehens. // Glaubwürdigkeit, das ist dabei für mich immer ein Schlüsselbegriff, weil sie unseren Blick von den vielen Veränderungen auf das Wesentliche lenkt. Glaubwürdigkeit, das ist freilich ein Prädikat, das in Sekunden verspielt, aber nur durch Beständigkeit erworben werden kann. Zeitungen, viele Zeitungen jedenfalls, haben es sich über Jahrzehnte, einige sogar über Jahrhunderte erarbeitet. Ich freue mich über jeden Teil dieser gewachsenen Kultur, der heute noch am Leben ist. Im August konnte ich der Hersfelder Zeitung zum 250. Jubiläum gratulieren. Das muss man sich einmal vorstellen. Das hat mich einmal mehr daran erinnert, wie eng die Geschichte der veröffentlichten Meinung mit der Geschichte unserer Demokratie verknüpft ist. Die Zeitungen sind Spiegel unseres Gemeinwesens, in guten wie in schlechten Zeiten. Für mich sind solche Jubiläen auch immer wieder ein Grund zur Freude, weil unser föderal geprägtes Land nicht zuletzt dank seiner traditionsreichen Lokalausgaben die größte Zeitungsvielfalt in Europa aufweist. Einigen Blättern ist es gelungen, ihr größtes Pfund - die Glaubwürdigkeit - erfolgreich auch in der digitalen Welt zu platzieren. Andere suchen noch nach neuen Vermarktungswegen. // Auch ich kann natürlich heute kein fertiges Modell anbieten, aber ich nenne gern einige Mindestanforderungen für die Bürgergesellschaft der Zukunft: "Wir müssen eine freie, unabhängige, vielfältige und qualitätsvolle Presse erhalten. Wir müssen sie uns leisten wollen." So habe ich es vor einem Jahr bei der Verleihung des Theodor-Wolff-Preises formuliert. Und ich glaube, bei diesem Ziel sind wir uns alle hier in diesem Saal einig. Allerdings hat wohl niemand eine Blaupause, wie genau aus dem Sich-Leisten-Wollen ein Sich-Leisten-Können, wie eins aus dem anderen wird. // An dieser Stelle will ich mir eine These erlauben, sehr geehrte Verlegerinnen und Verleger: Wer glaubwürdig ist, der wird Anhänger und Mitstreiter finden auf seinem Weg. Zuerst fallen mir dabei diejenigen ein, die man früher Leserinnen und Leser nannte, die inzwischen User, Friends und Follower sind. Entscheidend ist: Die Mehrheit dieser Rezipienten verhält sich doch kritisch und anspruchsvoll. Darauf setze ich in einer aufgeklärten, bildungsbetonten Bürgergesellschaft. Präzise Informationen und Argumente werden dann immer ihr Publikum finden. // Allerdings will ich nicht verschweigen, dass ich auch heute schon ganz andere Stimmen höre. Wenn ich Menschen frage, warum sie sich für das Zeitunglesen nicht begeistern können, dann antworten viele, dass sie einfach nicht das darin finden, was sie gern lesen würden. Immer mehr junge Leute haben zum Beispiel den Eindruck, dass die Zeitungswelt eine ganz andere Realität beschreibt als die, in der sie leben. Wie könnten Zeitungen solche Gruppen für sich gewinnen? Eine einfache Antwort darauf erkenne ich nicht. Simplifizierung wäre für eine pluralistische Demokratie ohnehin keine oder eine äußerst schwache Lösung. Je vielfältiger die Lebensstile und damit die Erwartungen an den Journalismus werden, desto differenziertere Antworten brauchen wir auf die Kernfrage: Wann lohnt es für beide Seiten - Leserschaft wie Eigentümer - sich eine Zeitung zu halten? // Die Frage, wie genau sich guter, glaubwürdiger Journalismus lohnt und was er für wen wert sein kann, stellt sich gerade für Sie immer wieder neu. Ihre zweite große Gruppe von Verbündeten müssen deshalb auch künftig die Redakteurinnen und Redakteure sein. // Glaubwürdige Journalisten sind das größte Kapital einer Zeitung - mit ihrem Intellekt, mit ihrer Empathie, mit ihrer Neugier oder mit ihrer Diskussionsfreude, manchmal auch einfach nur mit ihrem Namen, der im Laufe der Jahre zu einer ganz eigenen Marke avanciert ist. Gute Journalisten fühlen sich nicht allein dem Eigentümer ihres Mediums verpflichtet, sondern auch dem Gemeinwohl. Sie beleuchten unsere Gegenwart, sie decken Missstände auf und riskieren ja in manchen Ländern der Welt dabei unter Umständen ihre Freiheit oder gar ihr Leben. Wenn sie einem Skandal nachjagen, suchen sie nicht bloß Erregung, sondern letztlich Wahrhaftigkeit. Deshalb prüfen sie die Fakten und hören die Gegenseite. Sie verstehen Erfolg nicht nur als flüchtigen, spektakulären Augenblick. Sie setzen auf langfristigen Erfolg durch Präsenz und Profil, durch Haltung und Hingabe. In diesem Sinne dienen sie der Demokratie. Das sage ich nicht nur als Bundespräsident. Ich sage es vor allem als Leser, der sich lange danach gesehnt hat, dass es diese Art von Journalismus nicht nur in Hamburg oder München, sondern auch in Rostock oder Dresden geben darf. // Deshalb gehört zur Debatte über die Zukunft des Qualitätsjournalismus für mich auch ein Wort über die Beschäftigungssituation von Journalisten. Überall lässt sich beobachten, wie feste Stellen in den Redaktionen mehr und mehr verschwinden, wie freie Mitarbeiter für Zeilenhonorare schuften, wie Volontäre als Redakteure arbeiten, aber dabei Azubilöhne verdienen. Prekäre Arbeit aber, das ist keine stabile Basis für verlässliche Inhalte. Selbst die Festangestellten haben offenbar Anlass, sich wehmütig an die gute alte Zeit zu erinnern. Viele von ihnen würden gern gründlicher recherchieren, öfter nachfragen und präziser texten. Sie sträuben sich dagegen, Masse statt Klasse zu produzieren. Der Zeit- und Kostendruck in den Redaktionen lässt immer weniger Spielraum für aufwendigen oder investigativen Journalismus. Die Streichung der Auslandskorrespondentenstellen ist ein Beispiel dafür. // Immerhin, nach und nach wächst die Erkenntnis: Google kann weder Geist noch Gespür eines Reporters vor Ort ersetzen. Und ich hoffe, dass mit dieser Einsicht ein Gegentrend greifen kann. Denn wo zu kräftig gespart wird, stellt sich oft heraus: Personelle Auszehrung schlägt früher oder später auf die Qualität durch. Und das merken dann die Leser. Es ist also kein Gutmenschengerede zu konstatieren: Langfristig ist eine solide Personalausstattung in den Redaktionen inhaltlich wie auch ökonomisch sinnvoll. // Qualitätsjournalismus und Gewinnorientierung, sie sollen doch bitte keine Gegensätze sein. Hier im Saal klingt das wie eine Selbstverständlichkeit, aber draußen muss man es manchmal erklären. Am besten gelingt das wohl durch Beispiele aus der Praxis, Beispiele, bei denen klar wird: Qualität setzt sich durch. Ein überzeugendes Medienprodukt - sei es eine klassische oder digitale Zeitung - findet auch eine Leserschaft. Ich denke an die vielen renommierten Blätter, die Sie herausgeben. Ich denke an die vielen Preise und Auszeichnungen für gelungenen Journalismus, die Ihre Häuser jedes Jahr als Bestätigung der Verlagsarbeit entgegennehmen können. Ob Hochkultur oder Mühen der Ebene: So vieles, was in Deutschland produziert wird, kann sich sehen, kann sich lesen lassen. // Ich denke auch an Erfolgsgeschichten, die ganz im Stillen wachsen. Regional und lokal passiert das tausendfach, wie wir wissen. Diese journalistische Arbeit an der Basis beobachte ich mit großem Interesse, weil sie all dem so ähnlich ist, was sich Demokraten von lokalen Politikern wünschen: nah bei den Menschen sein, zuhören ohne Überheblichkeit und ohne vorgefestigte Meinungen, dann weitertragen, was die Region bewegt und zum Mittun einladen und Missstände klar benennen. Dabei gilt gleichwohl die alte Journalistenweisheit: In der Kommune fällt es manchmal leichter, den Papst zu kritisieren als den eigenen Bürgermeister. // Es ist und bleibt die hohe Kunst, aus dem Alltag heraus die großen Lebensfragen zu stellen und zu beantworten - im Kleinen das Bedeutende für die Gesellschaft zu erkennen. Denken wir dabei nur an den oft zitierten Kaninchenzüchterverein, der meist despektierlich als Beispiel für erste Reportagen eines Volontärs genannt wird. Derlei Vereine und Initiativen sind es aber, in denen das Leben der Menschen und in denen zum Teil Basisdemokratie stattfindet. Auch dort wird ausgefochten, wer am Sonntag die Wahl gewinnt und ob es wohl hilfreich wäre, nicht nur dem eigenen Garten, sondern auch der Wahlkabine einen Besuch abzustatten. // Welches neue Bild könnte das Klischee vom Kaninchenzüchterverein ersetzen? Ist es vielleicht die multimediale, womöglich international vernetzte Lokalredaktion? Ich gebe zu, für einige Neuerungen fehlt mir noch die Vorstellungskraft. Neulich hörte ich von sogenannten News-Games, Spielen, mit denen zeitungsferne Menschen an Nachrichten herangeführt werden sollen. Kann das funktionieren? Ich weiß es nicht. Wer weiß, vielleicht werde ich im Laufe meiner Amtszeit für ein solches Novum sogar einmal einen Orden verleihen dürfen. // Was das Internet betrifft, so ist schwer vorherzusagen, welche Innovationen uns in zehn Jahren herausfordern werden. Werden wir mehr über die Gefahren und den Missbrauch reden oder über weitere Vertriebskanäle? Die intelligente Verknüpfung von Wort und Bild, von Animation und Moderation kann uns in eine Medienzukunft führen, in der noch mehr Menschen als bisher mit noch besseren Informationen erreicht werden. Das wäre gut für die Medienhäuser - und es wäre gut für die Demokratie." // "Alles bleibt in Bewegung." Zwischen Hoffnung und harter Arbeit ist dieser schöne Satz heute Analyse, Prognose und zugleich Appell: Wenn alles in Bewegung bleibt, dann bin auch ich, dann sind wir alle aufgefordert, uns mutig auf den Weg zu machen!
-
Joachim Gauck
Vor genau vier Wochen - einige haben mich schon darauf angesprochen - stand ich auf dieser Bühne. Damals feierten wir den Jahrestag der friedlichen Wiedervereinigung unseres Landes. Ein festliches Ereignis - ähnlich wie heute. Denn heute ist ein besonderer Tag, weil wir eine Organisation feiern, die nach Jahrzehnten der Teilung in Ost und West 1991 selbst eine Wiedervereinigung erlebt hat. Eine Organisation, die über 150 Jahre hinweg Deutschland und die Deutschen durch ihre so wechselvolle Geschichte begleitet hat: das Rote Kreuz. // Ein rotes Kreuz auf weißem Grund steht für Schutz und Hoffnung in Zeiten der Not. Es steht für den Schutz von Schwachen und Bedürftigen. Es ist eines der bekanntesten - und bemerkenswertesten - Symbole, die es überhaupt gibt. Denn am Anfang der Geschichte der Bewegung des Roten Kreuzes stand das Mitgefühl eines Mannes für das Leid der Soldaten im 19. Jahrhundert, als der Krieg - an der Krim und schließlich in Oberitalien - nach Europa zurückgekehrt war. Die Schlacht von Solferino im Jahr 1859 und ihre über 40.000 Verwundeten und Toten erschütterten den Genfer Geschäftsmann Henry Dunant so sehr, dass er sofort Hilfsmaßnahmen für die verwundeten Soldaten in die Wege leitete. Immer wieder begründete er seinen Einsatz mit den italienischen Worten: tutti fratelli - wir sind doch alle Brüder! Aus diesem Zusammengehörigkeitsgefühl entstand dann eine neue Bewegung, die beispielhaft für das steht, was wir heute humanitäre Hilfe nennen. // Natürlich gab es dafür Vorzeichen und Vorläufer: Dass verwundete Soldaten des Schutzes bedurften, diese Vorstellung hatte sich bereits Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelt. Aber mit dem Rotkreuzgedanken setzte Henry Dunant entschlossen dem Grauen des Krieges tätige Mitmenschlichkeit und christliche Nächstenliebe entgegen. Die Rotkreuzbewegung steht so nicht nur für die beflügelnde Kraft des Mitgefühls, sondern auch für die Macht eines Einzelnen. Und diese Kraft verbreitete sich aus Genf in ganz Europa und später in der Welt. // Schon im November 1863 - vor 150 Jahren also - wurde der erste Rotkreuzverein auf deutschem Boden, hier in Stuttgart gegründet: der Württembergische Sanitätsverein. Deshalb sind wir hier versammelt, um diese wirkmächtige Idee, die auch in unserem Land sich so kraftvoll entfaltet hat, zu würdigen: Tutti fratelli, alle sind Brüder - e sorrelle, und Schwestern! Natürlich! Ja, gerade hier in Deutschland knüpfte die Rotkreuzbewegung auch an die Tradition der Frauenvereine aus der Zeit der Befreiungskriege an. // In Deutschland hat das Rote Kreuz einen historischen Beitrag dazu geleistet, dass sich eine bürgerliche Gesellschaft entwickelte, die ihre Geschicke selbst in die Hand nahm und nicht alles dem Staat überließ. Das Deutsche Rote Kreuz steht damit in einer Reihe mit anderen Institutionen des bürgerschaftlichen Engagements, der bürgerschaftlichen Selbstorganisation: den freien Wohlfahrtsverbänden, den freien Gewerkschaften und den eigenständigen Industrie- und Handelskammern. // Gerade mit den Erfahrungen der deutschen Vergangenheit erkennen wir heute den Wert eines freien zivilen Mitgliederverbands für unsere Demokratie: Nach der "Gleichschaltung", wenn wir an die NS-Zeit erinnern, und auch nach der Freiheitseinschränkung - und ich sage dies trotz einiger innerer Freiräume - in der DDR wurde im wiedervereinigten Deutschland das ganze Rote Kreuz ein aktives Bündnis freier, verantwortungsbewusster Bürger. // Tätig werden, statt untätig zu verharren - die Dinge in die Hand nehmen, statt sie klaglos hinzunehmen - das ist die Handlungsmaxime des Deutschen Roten Kreuzes: Ob in der Pflege oder in der Betreuung älterer Menschen, in der sozialen Arbeit mit Jugendlichen oder in der Beratung von Zugewanderten - das Deutsche Rote Kreuz ist für alle da. Vielen begegnet es bei Erste-Hilfe-Kursen oder bei freiwilligen Blutspenden. Es leistet Notfallhilfe und Katastrophenschutz. Ein Beispiel: Als die Flüsse in diesem Jahr erneut über die Ufer traten und große Teile Deutschlands überschwemmten, da war das Deutsche Rote Kreuz wie selbstverständlich zur Stelle. Damit trägt das Rote Kreuz dazu bei, dass wir uns sicher fühlen. Wir wissen: Ich erhalte Hilfe in der Not oder in der Krise. So stiftet das Deutsche Rote Kreuz gesellschaftlichen Zusammenhalt und ist zu einem Markenzeichen für die soziale Dimension in unserem Land geworden. // Welchen Stellenwert das Deutsche Rote Kreuz hier hat, das zeigt uns auch die Zahl seiner Mitglieder: fast vier Millionen sind es. Besonders freue ich mich darüber, dass sich so viele Bürgerinnen und Bürger im Roten Kreuz ehrenamtlich engagieren - es sind über 400.000. Ihnen, den Ehrenamtlichen, möchte ich meinen besonderen Dank aussprechen. Als Bürger helfen Sie Bürgern. Sie sind stets dort zur Stelle, wo Sie gebraucht werden. Eine vitale Bürgergesellschaft lebt von diesem Engagement. // Das Deutsche Rote Kreuz spielt, auch dies sei erwähnt, eine bedeutende Rolle für das Gesundheits- und Sozialwesen. Es betreibt Krankenhäuser, Kindertagesstätten und Pflegeheime, steht dabei im wirtschaftlichen Wettbewerb mit anderen und bringt seine Stimme ein in die Diskussionen, wie unser Sozialstaat auch künftig jedem medizinische Versorgung auf dem Stand der Wissenschaft und menschenwürdige Pflege garantieren kann. Das bedeutet für eine Organisation wie das Rote Kreuz auch besondere Herausforderungen - nämlich das Gemeinnützige und das Ehrenamtliche in eine Balance mit dem Geschäftlichen und den Hauptamtlichen zu bringen. Das setzt ein klares Leitbild voraus und Transparenz - wie Sie beim Deutschen Roten Kreuz sich das vorgenommen haben. Bei Ihrem Wirken für das Soziale in unserem Land helfen Sie so, die ideellen Werte des Deutschen Roten Kreuzes zu bewahren. // Weltweit ist das DRK humanitärer Botschafter unseres Landes. Als ich vor vier Wochen hier in diesem Saal sprach, habe ich auch über die Verantwortung Deutschlands in der Welt geredet. Dass das wiedervereinigte Deutschland als international angesehener und verlässlicher Partner gilt, dazu hat übrigens auch die Arbeit des Deutschen Roten Kreuzes einen wichtigen Beitrag geleistet. // Humanitäre Hilfe - das bedeutet, mit Henry Dunant im Kern daran zu glauben, dass wir im Stande sind, die Welt aus eigener Kraft zu verändern, dass wir diese Welt zu einem besseren Ort machen können. Heute geht es in der internationalen Politik nicht mehr nur um die Sicherheit von Staaten. Es geht auch um die Sicherheit des Einzelnen oder von den Vielen. Das ist eine wesentliche Errungenschaft der Weltgemeinschaft. Und wir sollten es ruhig aussprechen: Es ist ein Erfolg auch unserer Wertegemeinschaft, es ist auch ein Erbe der europäischen Aufklärung in einer Welt, die entgegen mancher Erwartung nach 1989 nicht friedlicher geworden ist. Tatsächlich erleben wir seither doch eine Fülle neuer Konflikte: zunehmend nicht nur zwischen Staaten, sondern innerhalb von Staaten zwischen unterschiedlichen Interessengruppen oder politischen, ethnischen und religiösen Gruppierungen. Einzelne fragile Staaten können die Sicherheit ihrer eigenen Bürger überhaupt nicht mehr gewährleisten. Oftmals haben sie auch gar kein Interesse daran. Dies stellt die weltweite humanitäre Hilfe vor ganz neue Herausforderungen. // Was das bedeutet, das habe ich auch bei meiner Begegnung mit dem Präsidenten des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, Peter Maurer, erfahren. Das Internationale Komitee mit seinem ganz besonderen Mandat im Völkerrecht ist ein unverzichtbarer Partner der Bundesregierung in ihrer humanitären Hilfe - denken wir allein an die humanitäre Krise in Syrien. Deutschland gehört dort zu den größten Geldgebern und arbeitet eng mit dem Roten Kreuz zusammen. // In Syrien wie an vielen anderen Brennpunkten müssen wir uns fragen: Wie schaffen wir ein Umfeld, in dem Frieden möglich ist und in dem die Ursachen von Gewalt und damit von individuellem Leid verschwinden oder doch zumindest eingehegt werden? // Durch seine Prinzipien steht das Rote Kreuz beispielhaft für gelungene internationale Kooperation - nicht nur über Landesgrenzen hinweg, sondern auch zwischen den Weltreligionen. Die Rotkreuz- und die Rothalbmondgesellschaften genießen gleiche Rechte und Pflichten und sind in vielen Krisenregionen die einzigen Organisationen, die von allen Konfliktparteien anerkannt und respektiert werden. // Es ist entscheidend, dass das Rote Kreuz - ebenso wie der Rote Halbmond - auch weiterhin als Schutzsymbole akzeptiert werden, die eine unüberwindbare Grenze für Gewalt und Aggression darstellen. Übergriffe, welcher Art auch immer, auf Mitarbeiter des Roten Kreuzes können wir nicht hinnehmen. Nur wenn dieser Schutz gewährleistet ist, können Hilfsorganisationen ihrer Aufgabe nachkommen. Nur dann kommt eben die Hilfe bei den Bedürftigen an. Die Mitarbeiter des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds setzen Leib und Leben aufs Spiel, um anderen Menschen zu helfen und das verdient doch unsere Unterstützung - und zwar unsere volle Unterstützung. // Nun könnte man sagen: Der humanitäre Gedanke, wie wir ihn heute kennen, hat sich in Europa entwickelt, auch weil der Kontinent so zahlreiche und so grausame kriegerische Auseinandersetzungen erlebt hat. Die Staaten Europas haben sich nach diesem schmerzvollen Weg miteinander versöhnt. Humanitäre Hilfe war nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges wesentlich für den Aufbau des Kontinents - das Rote Kreuz hat einen besonderen, einen ganz besonders "menschlichen" Beitrag in dieser Zeit geleistet, indem es half, Familien zusammenzuführen, die in den Wirren des Krieges auseinandergerissen worden waren. Ich habe noch in Erinnerung, wie wir, als ich ein Junge war, an den Radiogeräten saßen und ganze Namenslisten verlesen wurden. Der Suchdienst hat hier unglaublich dabei geholfen, Menschen zusammenzuführen, die durch Krieg und Kriegsfolgen auseinandergerissen waren. Aus dieser Zeit erinnere ich mich auch an die humanitären Aktionen, die Deutschland geholfen haben nach dem Krieg, etwa an die Schwedenspeisung im Hungerwinter 1946/47. Mit Lebensmittelpaketen, Kleidung und Schuhen halfen Schweden, Dänen, Schweizer, Briten und viele andere über die Rotkreuzorganisationen den Deutschen in ganz existenzieller Not. Ich möchte nicht, dass Deutschland vergisst, wie ihm einst geholfen wurde. Das war schließlich über die Hilfe für das schiere Überleben hinaus eine große Geste der Humanität, in der sich wieder Henry Dunants kraftvoller Gedanke zeigte: tutti fratelli e sorrelle - wir sind Schwestern und Brüder. An diese Erfahrung der Deutschen möchte ich heute dankbar erinnern. // Humanitäre Hilfe bedeutet, auf der Grundlage von Werten und Überzeugungen zu handeln. In diesem Grundsatz, den man auf Vieles übertragen kann, sehe ich eine Zukunftsaufgabe für uns in Europa. Wir als Europäer müssen unsere eigenen Werte ernst nehmen und ihnen auch in unserem praktischen Handeln folgen. Wir dürfen nicht die Augen verschließen vor den vielen Versuchen überall in der Welt, den Geltungsbereich der Menschenrechte etwa einzuschränken. Das geschieht beispielsweise unter Verweis auf distinkte "kulturelle Konventionen" oder "traditionelle Werte", die angeblich nicht mit den Menschenrechten übereinstimmen würden. Aber das ist immer unrichtig. Das ist immer taktisches Kalkül von Menschen, die sich davor fürchten, allen Menschen Menschenrechte und Bürgerrechte zuzuerkennen. Es gibt nicht zwei Arten von Menschenrechten. Die Vereinten Nationen haben sich auf eine Liste, auf einen Katalog geeinigt. Deshalb sind Menschenrechte nicht verhandelbar. Sie sind universell. Sie gelten überall und für jede Frau, für jedes Kind, für jeden Mann. // Bei der Durchsetzung der Menschenrechte sind wir ein großes Stück vorangekommen. Doch auch diese Geschichte, die Geschichte dieser Rechte, ist noch nicht zu Ende. Sie ist es schon deshalb nicht, weil Menschenrechte offensichtlich immer wieder aufs Neue erstritten werden müssen. // Und da sind wir alle gefordert: Wir erleben gerade zutiefst schockierende Tragödien an den Außengrenzen der Europäischen Union. Dazu können wir doch nicht schweigen, wenn wir unsere eigenen Werte ernst nehmen. Wir müssen uns fragen: Wie begegnen wir jenen, unseren Schwestern und Brüdern menschlicher, die sich aus Leid und Verzweiflung auf den Weg nach Europa gemacht haben und vor unseren Grenzen in akute Not geraten sind? Wie gehen wir mit denen um, die bei uns Schutz suchen? Wie gestalten wir die notwendigen Verfahren schnell und fair? Und ich möchte die Frage hinzufügen: Wie gestalten wir auch die oft notwendige Ablehnung von Asyl menschlicher? Welche Perspektiven bieten wir Menschen, die auf der Suche nach einem besseren Leben sind? Gewiss, wir wissen es doch alle, wir werden nicht alle Menschen aufnehmen können, die auf der Welt in Not sind. Aber wir können mehr tun, und wir können es menschlicher tun. // An einer gesamteuropäischen Verantwortung für die Sicherheit in den Gewässern des Mittelmeers darf kein Zweifel bestehen. Der Schutz jedes einzelnen Menschenlebens geht allem voran. // Wir sollten uns von dem Idealismus, mit dem die Mitarbeiter des Roten Kreuzes ihre Aufgaben angehen, inspirieren lassen. Wir müssen zugleich abwägen, was realistischer Weise möglich ist - auch das gehört zu verantwortungsvollem Handeln. Doch mit Toleranz, ehrlichem Mitgefühl und einem offenen Auge für die Nöte anderer Menschen, ob nah oder fern, wird es uns gelingen, noch weiter auf diesem Weg zu einer friedlicheren und gerechten Welt voranzukommen. // Sie, meine Damen und Herren, bitte ich: Führen Sie Ihre Arbeit zum Wohl der Menschen, die Hilfe benötigen, auch weiterhin mit Energie, mit Hingabe und mit Weitsicht fort. Ich danke allen Haupt- und Ehrenamtlichen für ihren großen Einsatz. // Aber einen Satz muss ich noch hinzufügen: Heute, da dürfen Sie auch einmal stolz sein, in dieser großartigen Institution mitzuarbeiten. Ich danke Ihnen.
-
Joachim Gauck
Wenn der Bundespräsident den Deutschen Bankentag eröffnet, im siebten Jahr nach dem Ausbruch der weltweiten Finanz- und Schuldenkrise, dann steht er ganz unterschiedlichen Erwartungen gegenüber. Viele Bürger wünschen sich, dass den Banken wieder einmal die Leviten gelesen werden, dass noch einmal abgerechnet wird mit Gier, Größenwahn, Fehlverhalten und Kontrollverlust. Viele Bankmanager, vielleicht auch manche von Ihnen hier im Saal, wünschen sich dagegen eine Würdigung der Reformen, auch einer neuen Geschäftskultur, um die sich die Politik und die Branche jeweils bemühen. // Beide Erwartungen sind selbstverständlich. // Es stimmt ja: Einige Banken und einige Mitarbeiter haben sich eine Menge zu Schulden kommen lassen. Die Justiz ermittelt noch immer in mehreren Fällen wegen des Verdachts auf Untreue, Bilanzfälschung oder Marktmanipulation. Und erst vor wenigen Tagen wurden weitere Vorwürfe öffentlich: Die Finanzbehörden untersuchen, ob durch einige besonders trickreiche Anlagemodelle der Banken und der Geldanlagefonds Steuern in Milliardenhöhe hinterzogen wurden. Auch dort, wo nicht gegen Recht und Gesetz verstoßen wurde, war manches Geschäft ethisch fragwürdig, manches Risiko auch unvertretbar hoch. Falsche Anreize im Bonussystem, übersteigerte Gewinnansprüche, verantwortungsloses Verhalten zu Lasten Dritter - da war viel fehlgeleitete Kreativität im Spiel. // Hinzu kamen Mängel in der staatlichen Aufsicht und Regulierung, eine Politik des billigen Geldes und eine hohe Verschuldung bei Staaten, Unternehmen und Bürgern. Das alles trug dazu bei, dass die Stabilität des ohnehin extrem komplexen Finanzsystems unterminiert wurde. Einzelne Banken mussten, weil too big to fail, von der Politik gerettet werden, natürlich auf Kosten der Steuerzahler. So wurde ein zentrales Prinzip der Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt: Wer Risiken eingeht, muss für Verluste haften. // Das alles ist oft und völlig zu Recht kritisiert worden - auch ich habe mich gelegentlich kritisch dazu geäußert. // Andererseits ist aber auch richtig: Es hat sich inzwischen viel getan. Banken müssen heute mehr Eigenkapital vorhalten als vor der Krise. Neue Regeln sollen riskante Geschäfte kontrollierbarer, durchschaubarer machen. Mit Stresstests wird die Überlebensfähigkeit der Banken im Krisenfall überprüft. Und nicht zuletzt haben viele Institute Fehler eingestanden, sie haben neue Geschäftsmodelle entwickelt und sie haben sich ethischen Fragen gestellt. Kein Zweifel: Die Branche befindet sich im Wandel. // Ein Zwischenfazit fast sieben Jahre nach Beginn der Krise fällt also gemischt aus: Fehler sind erkannt, politische und unternehmerische Reformen auf dem Weg. Dieser Prozess ist in vollem Gang, aber er ist noch lange nicht abgeschlossen. // So will ich heute weder Bankenbeschimpfung betreiben noch kann ich eine heile Bankenwelt besingen. // Vielmehr möchte ich einen Schritt zurücktreten und mit etwas Grundlegendem beginnen: Ich möchte über Geld sprechen. // Nun wird mancher denken: nicht die originellste Idee auf einem Deutschen Bankentag. Aber ganz so naheliegend ist das Thema eben doch nicht. Denn es ist in unserer Gesellschaft ja keineswegs selbstverständlich, über Geld zu sprechen. Ganz im Gegenteil, es heißt doch oft: Über Geld spricht man nicht! Das gilt als anstößig, als unmanierlich. Es mag im Privatleben durchaus Gründe für diese Meinung geben. Im öffentlichen Leben aber, in der Sozialen Marktwirtschaft, wäre eine solche Haltung fatal. So, als ob sich die Bürger in unserer Demokratie auf die Maxime einigten: "Über Politik spricht man nicht!" // Geld verleiht Einfluss, aber es erzeugt auch Abhängigkeiten. Man kann es verdienen, sparen und anlegen - und dann darauf vertrauen, dass andere es vermehren. Man kann es sich leihen und muss es anschließend zurückzahlen. Banken sind Mittler zwischen Schuldnern und Gläubigern, und sie selbst sind beides: Schuldner und Gläubiger. Geld und Kredit, Forderungen und Verbindlichkeiten erzeugen Abhängigkeiten. Und wo Abhängigkeiten entstehen, da wird auch Macht ausgeübt. // Welche Macht heute von Banken und Finanzmärkten ausgeht, lässt eine einzige Zahl erahnen: 30 Billionen Euro - das ist die Summe der Bankbilanzen im Euroraum. Seit der Finanzkrise hat sich der Wert der weltweit zirkulierenden Schuldtitel noch einmal erhöht. Noch nie gab es so viele Schulden, und noch nie gab es so viel Vermögen wie heute. Nie war also die Rolle der Vermittler zwischen Gläubigern und Schuldnern wichtiger. // Die Finanz- und Schuldenkrise hat uns vor Augen geführt, welche Konsequenzen es haben kann, wenn Akteure versagen und die Kontrolle lückenhaft ist oder gar ausbleibt. Gerade weil die Wirkungsmacht der Finanzwirtschaft so groß ist und so weit in die Lebenswirklichkeit der Menschen hineinreicht, gerade deshalb ist unser Wirtschaftssystem zwingend darauf angewiesen, dass alle Akteure informiert und verantwortungsbewusst handeln. Alle Akteure, was heißt das? Für mich erstens: die Banken, also ihre Mitarbeiter und Manager. Zweitens die Bürger, die als Anleger nicht nur nach Renditeverheißungen schielen dürfen, sondern auch nach dem Risiko fragen sollten, das ihnen allerdings nicht verborgen bleiben darf. Und drittens die Politik, die vor der Herausforderung steht, die Marktordnung fortzuentwickeln und kluge Regeln zu formulieren, die helfen, die Kräfte des Marktes freizusetzen und gleichzeitig Missbrauch zu verhindern. // Lassen Sie mich mit der besonderen Verantwortung der Banken beginnen. // Es lohnt sich, einen Blick auf die Geschichte Europas zu werfen, um zu verstehen, welche Rolle Banken und Geldwirtschaft beim Weg in die Neuzeit spielten. Damals, als Markt- und Münzrechte verliehen wurden, als die Städte aufblühten, als das Geldwesen sich ausbreitete und das Bankenwesen entstand, da löste sich Europa aus dem Mittelalter. Der Raum des Handels und Austausches wuchs. Und das war gut für die Bürger der damaligen Zeit. Und als sich das Bürgertum im 19. Jahrhundert zunehmend emanzipierte, da öffnete sich das Bankwesen für Handwerker, Kleinunternehmer und Bauern - und für ihre Ideen. Zur gleichen Zeit entstanden damals die Genossenschaftsbanken, die vom Gedanken der gemeinschaftlichen Selbsthilfe geprägt waren. Diese Bankenwelt, die aus großen Universalbanken und Spezialinstituten, aus Sparkassen und Privatbanken besteht, sie ist heute ein Spiegel der deutschen Wirtschaft in ihrer ganzen Vielfalt - vom Mittelstand bis zu den international aktiven Großunternehmen. // Bei dieser Gelegenheit möchte ich sagen, dass es sich lohnt, an diesem Neben- und Miteinander von Privat- und Genossenschaftsbanken sowie öffentlich-rechtlichen Sparkassen festzuhalten! So viel muss sein auf einem Bankentag. // Heute ist fast jeder Bundesbürger ein Bankkunde, dem Girokonto, Sparbuch, Kreditkarte, Privatdarlehen und manchmal auch ein Wertpapierdepot zur Verfügung stehen. Weil so viele Menschen so einfach so viele Finanzprodukte kaufen können - übrigens durchaus ermutigt von der Politik -, weil in der Branche so vieles neu, schnell und unübersichtlich ist, wächst ihren Managern und Mitarbeitern eine besondere Verantwortung zu - für ihre Kunden und für das Funktionieren unserer Sozialen Marktwirtschaft und damit letztlich für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Staat und Gesellschaft. // Worauf kommt es also an? Auch wenn es ein wenig altmodisch klingt: Mitarbeiter von Banken dürfen sich durchaus am Ideal des ehrbaren Bankiers orientieren, gerade in Zeiten, da die Geschäfte so komplex sind wie nie zuvor. Sie müssen durch Seriosität und Sachkenntnis überzeugen, müssen ihr Handeln erklären können, Chancen und Risiken offenlegen. Und zwar nicht nur im Kleingedruckten, sondern im Klartext. Nicht nur zur eigenen rechtlichen Absicherung, sondern zur bestmöglichen Aufklärung der Kunden. So wird vermieden, dass sich das Risiko, für das sich ein Kunde bewusst entscheidet, in eine Gefahr verwandelt, der er hilflos ausgeliefert ist. // Meine Damen und Herren, an diesem Punkt sehe ich Sie in der Bringschuld! // Ich weiß sehr wohl: Die meisten Akteure des Bankgewerbes in unserem Land halten sich an diese Regeln. Sie haben nichts gemein mit dem Finanzjongleur, der in manchem Hollywoodfilm eine Hauptrolle spielt, sondern sie vergeben Firmen- und Hypothekenkredite, informieren über Spareinlagen und Altersvorsorge - und leisten dabei gute Arbeit. Sie tragen bei zu Wachstum und Dynamik, Beschäftigung und Innovation. // Vertrauen zu erwerben und zu erhalten liegt im eigenen Interesse der Banken. Denn sonst entziehen sie sich selbst und dem Markt die Geschäftsgrundlage. Nichts illustriert dies besser als der Zusammenbruch des Geldmarktes zu Beginn der Finanzkrise, damals haben sich nicht einmal die Banken untereinander vertraut. // Damals zeigte sich, was ich einmal die "Fratze der ungezügelten Freiheit" genannt habe. Es ist die Freiheit, man könnte sagen, der Pubertierenden, die sich nur als Freiheit von etwas definiert, von Regeln, von Zwängen, und die zu wenig nach den Folgen des eigenen Handelns fragt. Dagegen ist die "Freiheit, die ich meine", und nach der wir gemeinsam streben sollten, eine Freiheit zu etwas, zu Gestaltung und Mitgestaltung. Es ist Freiheit in Verantwortung, die die Bindungen und Beziehungen zu anderen Menschen und zum Gemeinwesen respektiert und fördert. // Das ist die Freiheit der Sozialen Marktwirtschaft - nicht der grenzenlose Übermut. Diese Freiheit steht für eine Kultur der Verantwortung, die über den Bilanzgewinn hinausgeht. In unserer Wirtschaftsordnung können Privatleute und Unternehmer gutes Geld verdienen, und sie sollen es sogar. Gewinnstreben ist keinesfalls verwerflich, sondern Voraussetzung für Investitionen und Innovationen. Und wer Geschäfte macht, geht auch immer das Risiko ein zu scheitern. Zur Verantwortung aber gehört es, Verluste dann auch selbst zu tragen. Wer besonders hohe Risiken eingeht, weil er weiß, dass im Notfall ein anderer die Kosten schultern wird, der handelt diesem Prinzip zuwider. // Die Abkehr von Tugenden der Sozialen Marktwirtschaft hat das Vertrauen der Bürger in die Banken erschüttert. Und, ehrlich gesagt: Angesichts mancher Exzesse verstehe ich das auch. Zugleich habe ich den Eindruck, dass auch die Kritik an diesen Zuständen manchmal das Kind mit dem Bade ausschüttet. Sie schlägt bisweilen um in eine ganz allgemeine Skepsis gegenüber der Marktwirtschaft. Da werden Wettbewerb und Freiheit für das Problem gehalten, und nicht deren Missbrauch. Das halte ich für fatal, denn Soziale Marktwirtschaft braucht informierte Bürger, die selbstbewusst am Wirtschaftsleben teilnehmen. Und damit bin ich bei meinem zweiten Punkt angelangt, bei der Rolle der Bürger. // Henry Ford, dem amerikanischen Industriellen, wird folgende Feststellung zugeschrieben: "Es ist gut, dass die Menschen das Bank- und Geldsystem nicht verstehen, sonst hätten wir eine Revolution noch morgen früh." In einem Punkt muss ich da widersprechen: Es ist ganz und gar nicht gut, wenn Bürger einen wichtigen Wirtschaftssektor nicht hinreichend verstehen oder verstehen können. Es ist nicht gut, wenn es vielen schwerfallen muss, Sachverhalte zu durchdringen, weil ganze Teilbereiche der Gesellschaft auf kaum durchschaubare Art miteinander verflochten sind. Selbst Experten haben nach eigenem Bekunden oft nicht nachvollziehen können, was auf den Finanzmärkten tatsächlich vor sich ging. // Banken, ich habe es eben erwähnt, haben hier eine Bringschuld. Aber der Bürger, er hat durchaus auch eine Holschuld. Wer die Quellen unseres Wohlstands verstehen, wer persönliche Chancen nutzen und Risiken einschätzen will, der muss sich informieren und in Finanzfragen kompetenter werden. Er darf sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, dass man über Geld nicht spricht. // Zum informierten Bürger gehört doch eigentlich eine ökonomische Grundbildung. Studien belegen, dass viele Deutsche hier Nachholbedarf haben. Ich weiß, dass einiges getan wird, um ökonomisches Wissen kreativ zu vermitteln. Da gibt es Beispiele, bei denen junge Menschen in der Schule schon eigene Firmen gründen oder an der Börse handeln. Sie lernen dabei wie Unternehmer zu agieren, von der Produktentwicklung bis hin zu Marketing und Vertrieb. Auch der Bankenverband leistet auf diesem Gebiet einen guten Beitrag. Trotzdem, ich frage mich: Wird die ökonomische Bildung in unseren Schulen und Berufsschulen ausreichend berücksichtigt? Hat das Wissen über ökonomische Zusammenhänge den gleichen Rang, den die Ökonomie heute für unser Leben und Wirtschaften hat? // Das ist nicht nur wichtig, damit der Einzelne gute Entscheidungen für sich selbst treffen kann. Wie durch politische Bildung Urteilsfähigkeit und Engagement junger Mitbürger gefördert werden kann, so ist auch die Fähigkeit wichtig, wirtschaftspolitische Debatten zu verfolgen, sich dort ein eigenes Urteil zu bilden und sich selbst an den Debatten zu beteiligen. Das gehört elementar zur Demokratie. Deren Schlüsselfigur ist doch der vielzitierte "mündige Bürger". Und der ist auch gefragt, wenn es um die Gestaltung unserer Wirtschaftsordnung geht. Nicht nur politische, auch ökonomische Apathie und Unwissenheit sind gefährlich. // Wie wichtig die Fähigkeit zum öffentlichen Gespräch über wirtschaftliche Fragen ist, das zeigt sich gerade dann, wenn es darum geht, die Konsequenzen aus der Krise zu ziehen. Also: welche Regeln brauchen Banken, welche Grenzen die Märkte? Welche Rolle spielt die Geldpolitik, welche Macht darf sie ausüben? Und wie finden wir den Weg aus der hohen Staatsverschuldung? // Dabei reicht es nicht aus, individuelles und unternehmerisches Handeln in den Blick zu nehmen und nur auf die Veränderung von Mentalitäten und Geschäftsmodellen zu setzen. Das alles ist richtig. Aber es war auch die staatliche Rahmenordnung, die Fehlverhalten ermöglicht und oft auch begünstigt hat. Und damit bin ich beim dritten und letzten Punkt. // Seit dem G20-Gipfel vor fünf Jahren in Washington wird daran gearbeitet, Banken stärker in Haftung zu nehmen und Regeln zu setzen, um Krisen weniger wahrscheinlich zu machen. Wir Europäer schaffen mit der Bankenunion eine einheitliche Aufsicht im Euroraum und neue Verfahren, um Eigner und Gläubiger in Haftung zu nehmen, wenn Banken ins Schlingern geraten. Damit kann es uns in Europa gelingen, Marktwirtschaft und Währungsunion zu stärken. // Es würde uns guttun, wenn solche wichtigen Fragen nicht allein von kau Fachpolitikern und Experten diskutiert würden, sondern stärker als bisher auch von Bürgern und Medien. Denn es wird weiter um das Ausmaß der Regulierung gerungen werden, gerungen werden müssen. Wir müssen uns fragen: Wurde wirklich schon genug getan, um das Finanzsystem krisenfester zu machen und Exzesse zu vermeiden? Oder geht manche Regel gerade für kleine Banken, die nicht "systemrelevant" sind und mit anderen Banken verflochten sind, vielleicht schon zu weit? // Dazu kann es durchaus unterschiedliche Antworten geben. Eine, die mir persönlich sehr sympathisch ist, stammt von Karl Popper, dem Begründer des Kritischen Rationalismus. Er hat einmal gefordert, den freien Markt nicht als "ideologisches Prinzip" zu betrachten, sondern einfach als eine Ordnung, die davon lebt, dass die Freiheit nur dort zu beschränken ist, wo es aus wichtigen Gründen notwendig ist. Er war sich bewusst, dass oftmals umstritten sein wird, wo genau die Grenze des Notwendigen verläuft. Das wird auch so bleiben. // Diese Grenze in kluger und verantwortungsvoller Weise zu ziehen, das ist Aufgabe der Politik. Sie gibt den Rahmen vor. Mindestens genauso wichtig ist es dann aber, wie Banken und Bürger diesen Rahmen füllen. Lassen Sie uns also weiter diskutieren, wie verantwortungsvolles Handeln von Banken und Bürgern zu stärken wäre. Lassen Sie uns über notwendige Grenzen und die Grenze des Notwendigen auf den Finanzmärkten diskutieren! In diesem Sinne also: Lassen Sie uns über Geld reden.
-
Joachim Gauck
Wie sollte man eine Rede an der Universität, die Johann Wolfgang von Goethe im Namen führt, anders beginnen, als mit dem wohl berühmtesten Seufzer der deutschen Literaturgeschichte: "Habe nun ach! Philosophie, / Juristerei und Medizin / Und leider auch Theologie / Durchaus studiert mit heißem Bemüh'n." // Zugegeben, ein ziemlich überraschungsfreier Start in diese Rede. Und wahrscheinlich hätte ich mir das "ach!" verkniffen, wenn nicht vor kurzem in einem Blog der Brief einer Hochschulabsolventin an ihre Universität zu lesen gewesen wäre, der den Monolog des Faust mehr als 200 Jahre später gewissermaßen in unsere Gegenwart übersetzt: // Ich zitiere: "Liebe Uni, ich habe Dich mir anders vorgestellt, jahrelang hatte ich von dir geträumt. Von Diskussionen, von Austausch, von dem Gefühl der Freiheit . Ich hatte mir vorgestellt, wie wir an der Universität wilde Debatten führen. Keynes! Marx! Weber! Liebe Uni, ich dachte Du wärst ein Ort zum Streiten [ ] Diese Leidenschaftslosigkeit war unerträglich " // Nun, es gab natürlich eine Menge leidenschaftlicher Antworten auf diesen vehementen Klagebrief, dem eigentlich nur noch die Faustische Beschwerde fehlte: "Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor". Viele stimmten der Autorin zu, viele widersprachen aber auch und berichteten von guten Erfahrungen mit ihrer Universität, ihrem Studium und ihren Professoren. // Ich hatte an dieser Stelle das Gefühl, wonach sehnt sich wohl diese Schreiberin? - hoffentlich nicht etwa nach den wilden Zeiten von 1970, als eine der merkwürdigen Seiten dieser Universität geschrieben wurde. Auf Vorschlag von Jürgen Habermas sollte der Adorno-Lehrstuhl neu besetzt werden, und man kam auf einen der wohl bedeutendsten Marxismus-Forscher der Zeit, auf Leszek Kolakowski. Aber Kolakowski war gerade von seiner kommunistischen Führung in Polen gemaßregelt worden. Nun passierte das Merkwürdige: An dieser schönen freien Universität gab es linke, linksextreme und marxistische Mehrheiten, die ihn wegen fehlender marxistischer Linientreue abwiesen. Der arme Mann musste dann in die akademische Wüste nach Oxford. Soviel zum Zeitgeist. // Die Universität und ihr Zustand, sie lassen die Gemüter nicht kalt. Und das ist gut so. Denn wenn es um die Bildung kommender Generationen geht, steht immer die Zukunft einer ganzen Gesellschaft auf dem Spiel. Deshalb sollen Universitäten blühen und gedeihen, und zwar zuallererst im Interesse der Studierenden. Hier in Frankfurt sind es 46.000, die durch bestmögliche universitäre Bildung entscheidende Chancen für einen gelingenden Lebensweg erhalten, die aber auch als gut gebildete und gut ausgebildete Absolventen Leistungen erbringen sollen, die dann für die ganze Gesellschaft wertvoll sind. Umgekehrt gilt übrigens das Gleiche: Wenn es um die Zukunft der Universität geht, steht immer auch die Frage zur Debatte, was eine Gesellschaft von ihren Hochschulen erwartet und was sie deshalb bereit ist, für ihre Hochschulen zu tun. Aber dazu kommen wir später. Nur Gutes! // Die Frankfurter Universität, zu deren 100. Geburtstag ich heute von ganzem Herzen gratuliere, sie scheint mir ein gutes Beispiel zu sein, um dieses Wechselspiel zwischen einer Gesellschaft und ihren Hochschulen ein wenig näher zu beleuchten. Diese Universität ist nämlich aus verschiedenen Gründen herausragend: einer davon ist, das wissen wir fast alle oder alle hier im Raum, ihre Entstehungsgeschichte, die sich von anderen Universitäten nun doch deutlich unterscheidet. Zur Gründung der älteren Universitäten in Deutschland führte meist der Wille eines Landesherrn, den Ruhm seines Fürstentums und manchmal auch seinen eigenen zu mehren und die Wirtschaftskraft des Territoriums zu stärken - letzteres durchaus ehrenwerte Motive. // Zur Gründung der Universität Frankfurt vor 100 Jahren aber führte nicht Fürsten-, sondern Bürgerwille. Frankfurts Bürger, zumindest hinreichend viele, waren der Überzeugung, dass höhere Bildung das Beste ist, was einem Menschen überhaupt passieren kann. Als"Bildungsbürger" ein rundum positiver Begriff war, "Bürger" im vollsten und eigentlichen Sinne nur der gebildete Bürger war, da begriff man in Frankfurt, dass die Gründung einer Universität so etwas wie eine selbstverständliche Bürgerpflicht war. Mit Recht sind deshalb die Frankfurter Universität und mit ihr die Stadt Frankfurt stolz darauf, dass diese Hochschule eine Bürgeruniversität ist. // Eine Bürgeruniversität lebt vom Engagement. Das war und ist hier in Frankfurt in reichem Maße zu finden, weil man weiß, was eine Universität, eine sehr gute und sehr gut ausgestattete Universität einer Stadt und einer Gesellschaft geben kann, in geistiger wie auch in materieller Hinsicht. Zum einen hilft Bildung, die Welt zu verstehen und zu deuten, und damit auch, in der Gemeinschaft freier Bürger miteinander zu leben. Zum anderen aber bietet sie auch schlicht handfeste Vorteile. // Machen wir uns nichts vor: Wissenschaftliche Bildung wurde schon vor 100 Jahren auch als ein Wirtschaftsfaktor verstanden. Und das war auch richtig so, das müssen wir nicht bekritteln. Darüber hinaus war aber auch die Vorstellung lebendig, dass Bildung durch Wissenschaft der Schlüssel zur Entfaltung der Persönlichkeit sei, zum selbständigen Denken, zum Gebrauch des eigenen Verstandes und damit zur Emanzipation, zur Befreiung von alten Autoritäten und von den Zwängen der Natur. // Bildung und Emanzipation, oder anders ausgedrückt, vielleicht umfassender: Bildung und Freiheit gehörten und gehören zusammen. Deshalb finde ich es schön, dass wir heute dieses Gründungsjubiläum hier an dieser Stätte, hier in der Paulskirche feiern, einem der vornehmsten Orte der deutschen Demokratie- und Freiheitsbewegung. // Die Geschichte der Universitäten, die Geschichte auch der Frankfurter Universität, ist ein Teil der europäischen Freiheitsgeschichte und ein Teil der europäischen Wahrheitsgeschichte. // Wahrheit und Freiheit sind Geschwister. So wie Forschung und Lehre Freiheit brauchen, um sich zu entfalten und ungehindert nach Wahrheit zu suchen und zu streben, so ist die politische Freiheit darauf angewiesen, dass die Wahrheit zugelassen, dass um sie gerungen und dass sie unzensiert öffentlich gemacht werden kann. Dass die Wahrheit frei macht, das gilt auch für die Bildung, die uns - gemäß dem berühmten Wort von Immanuel Kant - dazu frei macht, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen, ohne die Anleitung eines anderen. // So sind, seit ihrer Erfindung im Mittelalter, Universitäten urbane Orte der Emanzipation. Einer der ersten, die man als Professor fast im modernen Sinne ansprechen kann, ist der Theologe und Philosoph Petrus Abälard. Er entwickelte am Anfang des 12. Jahrhunderts an der jungen Pariser Universität eine wissenschaftliche Methode, die bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat. // "Sic et non" heißt seine bedeutendste Schrift. Darin wird die Methode der kritischen, wissenschaftlichen Befragung aller Autoritäten erstmals systematisch begründet und durchgeführt. Abälard listet in 158 Abschnitten Widersprüche in den Texten der Kirchenväter auf, die zuvor einfach unhinterfragte und unhinterfragbare Autoritäten waren. Und er zeigt, dass alleine die vernunftgeleitete Interpretation zur Wahrheit führt. Zitat: "Indem wir nämlich zweifeln, gelangen wir zur Untersuchung und durch diese erfassen wir die Wahrheit." // Freiheit von Vorurteilen, kritische Befragung aller Autoritäten, genaue Analyse und Interpretation der Quellen, Vernunft als oberste Instanz: Das ist sozusagen die erste "kritische Theorie" des Abendlandes, und sie bleibt wesensbestimmend für jegliche wissenschaftliche Arbeit, überall bis heute. Dass sie keineswegs leicht durchzusetzen war, zeigt nicht nur, aber auch die Geschichte Abälards, die von Kämpfen, Verurteilungen, Verbannungen geprägt ist. So wird es immer sein: Emanzipation und die Befreiung von Autoritäten, sie werden nie als Geschenk verteilt. Sie müssen immer erkämpft werden. // Die Kontinuität akademischen Denkens, wie es unsere Hochschulen geprägt hat, ist vor allem eine Kontinuität des kritischen Bewusstseins. Was in Paris mit "Sic et non" beginnt, das führt über die großen "Kritiken" des Königsbergers bis zur Kritischen Theorie der Frankfurter Schule. // Wir wissen allerdings auch und wir dürfen das auch heute an einem solchen Festtag nicht verschweigen, dass die Universität nicht automatisch und nicht immer die aufgeklärte Stimme der Vernunft gewesen ist. Nicht immer hat der Geist die wichtigste Rolle gespielt und nicht immer die interesselose Suche nach der Wahrheit. Auch der Ungeist, ja, die bewusste Lüge, Rassismus, Antisemitismus sind in Universitäten in Deutschland zu Hause gewesen. Intellektualität, wir wissen es leider, ist noch kein wirksamer Schutz gegen Barbarei. Das ist eine der bitteren Lehren aus den Erfahrungen des Dritten Reiches. Auch die Frankfurter Universität hat sich in diesen finsteren Jahren sehr schnell und sehr gründlich von ihren jüdischen Lehrenden und Lernenden getrennt. "Säuberung" nannte man das damals. Dabei verdankte sie doch ihre Gründung zu einem guten Teil dem jüdischen Bürgertum dieser Stadt. Und ein großer Teil des akademischen Glanzes speiste sich aus den Leistungen der Juden, die hier lehrten. // Aus allen deutschen Städten übrigens verschwanden mit den Juden doch Säulen der Gesellschaft: Philanthropie, kultureller Glanz, wissenschaftliche Exzellenz, auch ein aufgeklärter Patriotismus, Verluste ohne Gleichen. Und dazu die Gejagten und all die getöteten Menschen. Im Bewusstsein dieser Verluste und des verzögernden Erkennens und des Benennens der Schuld, die zu diesen Verlusten führte, hatte nun die Gesellschaft eine große Aufgabe nach dem Krieg. Und hier in Frankfurt hat die Frankfurter Universität nach dem Dritten Reich und nach dem Krieg versucht, an ihre glanzvollen Zeiten anzuknüpfen. Ich stelle mir das äußerst schwierig vor, in diesen Zeiten, in denen äußere und innere Zerstörung das Land prägte. Aber es gelang. Einige Gelehrte sind sogar aus dem Exil zurückgekehrt, um beim geistigen Aufbau eines besseren Deutschlands von Frankfurt aus mitzuhelfen. Jeder kennt noch die Namen von Adorno und Horkheimer, die die Kritische Theorie der Frankfurter Schule entwickelten, die fast zur Überschrift für eine geistige Grundhaltung, ja, für eine wichtige Phase in der Geschichte der jungen Bundesrepublik wurde. All das war eng mit Frankfurt verbunden. // Die Geschichte der Frankfurter Bürgeruniversität ist eine Erfolgsgeschichte. Aber auf Erfolgen kann man sich nicht ausruhen. Jede Zeit stellt die Universitäten vor neue Herausforderungen, aber auch vor neue Chancen. // Die ungeheure Steigerung der Studierendenzahlen seit den 1960er Jahren, damit auch die steigende Zahl von Dozenten und Professoren, all das hat einen anderen Typ von Universität geschaffen, als man sie noch bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts kannte. // Das ist ein beispielloser bildungspolitischer Sprung: Wo früher eine akademische Laufbahn nur einer schmalen Elite eines Jahrgangs vergönnt war, sind es heute mehr als ein Drittel. Der Anteil der jungen Menschen eines Jahrgangs, die ein Studium aufnehmen, stieg seit Anfang der 1950er Jahre von etwa fünf auf etwa fünfzig Prozent. Ich weiß um die damit verbundenen Probleme, die gelegentlich auch zu besprechen sind. Das will ich aber an dieser Stelle nicht tun. Diese Steigerung hat den Charakter der Hochschulen grundlegend verändert, und sie musste natürlich auch gestaltet und sie musste finanziert werden. Um die Frage der Hochschulfinanzierung wird bis heute gerungen. Viele Dozenten und Professoren klagen, dass sie sich angesichts der Fülle der Aufgaben vom Kern ihrer Profession, von Forschung und Lehre, entfernen, ja, manchmal entfernen müssen. Es galt und gilt also, eine neue Balance zu finden zwischen Forschung und Lehre, zwischen Spitze und Breite. // Eine Herausforderung, die die Gründer der Frankfurter Universität vor 100 Jahren ebenfalls noch nicht in dieser Deutlichkeit vor Augen hatten, war der Beitrag, den Bildung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zum sozialen Aufstieg jeder und jedes Einzelnen leisten kann und soll. Jetzt fällt mein Blick auf unsere Gesellschaft, wie sie sich heute darstellt. Wir leben heute in einer Einwanderungsgesellschaft. Mehr als ein Drittel der in Deutschland lebenden unter Fünfjährigen verfügt über einen Migrationshintergrund. Das gesamte Bildungssystem muss - sollte ich sagen: müsste - sich dieser Aufgabe stellen. Es gibt inzwischen viele Initiativen, die diese Herausforderung angenommen haben. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit stand ich hier an derselben Stelle, um die Teilnehmer der Start-Stipendien-Initiative zu begrüßen und zu beglückwünschen. Eine große deutsche Stiftung hat der Tatsache Rechnung getragen, dass wir eine besondere Förderung dieser Gruppe von Auszubildenden brauchen, die - mit einem Migrationshintergrund ausgestattet - nicht dieselben Startmöglichkeiten haben wie Kinder aus dem deutschen Bildungsbürgertum. Wir müssen verstehen, dieser Realität von Einwanderung gerecht zu werden, sie als praktische Aufgabe zu sehen. Und ich bin dankbar für die Initiativen und die Personen, die sich hier auf diesem Feld engagieren, Hilfe in der Sprachförderung oder durch kulturelle Beiträge. Im Sport haben wir inzwischen gelernt, dass jedes Talent Förderung verdient und dass diese Förderung alle bereichert. Die gleiche Einsicht wünsche ich mir auch in der Bildung und in der Wissenschaft: von der Kita über die Schule bis zur Universität. An jeder dieser Stationen können wir noch viel mehr tun, um allen jungen Menschen in diesem Land ein gelingendes Leben zu ermöglichen. // Nach meinem Verständnis kann und muss die Universität eine aktive Rolle bei der Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft spielen, vielleicht sogar eine aktivere Rolle als gegenwärtig schon üblich. Ausländische Studierende und junge Menschen mit Migrationsgeschichte brauchen Hilfe. In manchen Fällen ist finanzielle Unterstützung notwendig, etwa durch spezielle Stipendienprogramme. Am wichtigsten aber sind Vorbilder und Ermutigung, und zwar schon lange vor der Immatrikulation. Es darf nicht sein, dass die Herkunft eines Menschen - sei es die soziale oder die ethnisch-kulturelle - darüber entscheidet, welche Zukunft dieser Mensch hat! Der Schlüssel, um solche Herkunftsbarrieren zu überwinden, der heißt Bildung. Die Geschichte von Bildung als Emanzipation, sie geht also weiter. Und sie muss weitergehen. // Ist die alte "Bürgeruniversität" auch diesen neuen Herausforderungen gewachsen? Hier in Frankfurt haben Sie eine klare Antwort auf diese Frage gefunden. Sie haben das Prinzip der Bürgeruniversität neu für sich entdeckt, Sie haben sich ganz bewusst zu Ihren Wurzeln bekannt. Denn seit 2008 ist die Goethe-Universität wieder Stiftungsuniversität. Das Modell soll dazu dienen, Hochschulen und Bürgergesellschaft stärker zu verbinden. Es eröffnet großherzigen und weitblickenden Stiftern und Förderern die Möglichkeit, Verantwortung für die Universität zu übernehmen. Der Umbau zur Stiftungshochschule stärkt die Eigenverantwortung der Institution. Die Stiftungshochschule kann zugleich ein Wir-Gefühl und eine Identität entwickeln, die Lehrende und Lernende verbindet und eine starke Verbindung zum gesellschaftlichen Umfeld herstellt. // Es zeigt sich immer wieder: Bildung und wissenschaftliche Spitzenleistung brauchen so eine förderliche Umgebung. In Frankfurt gibt es dieses bildungsfreundliche Umfeld. Kooperation und Austausch sind damit wesentliche Erfolgsfaktoren dieser Universität, die sich nie als Elfenbeinturm, sondern immer als bürgerschaftliches Forum begriffen hat. Auch dazu kann man heute wahrlich gratulieren. // Eines will ich aber an dieser Stelle auch deutlich sagen: Das Lob der Förderer und der Stifter und der Ruf nach weiterem bürgerschaftlichen Engagement für gute Bildung darf keineswegs dazu führen, dass der Staat sich aus seiner Verantwortung im Bildungswesen zurückzieht. Stifter sind keine Ausfallbürgen in Zeiten knapper Kassen - sie schaffen einen Mehrwert. // Es ist darüber hinaus richtig und wichtig, an neue Mittel und Wege zu denken, um Kräfte zu bündeln. So überlegen richtigerweise Bund und Länder seit der vergangenen Legislaturperiode, wie sie den Bildungsföderalismus fortentwickeln können, um den gestiegenen Anforderungen Rechnung zu tragen. Das wird am Ende allen nutzen: den Studierenden, die attraktive Studienbedingungen vorfinden, den Hochschulen, die ihre Stärken weiter ausbauen können, und unserem Land als Wissenschaftsnation. // Die Konzentration der Kräfte ist auch deshalb wichtig, weil gute Hochschulen heute in einem weltweiten Wettbewerb stehen. In diesem Wettbewerb wird der Frankfurter Universität ihre Besonderheit als Bürgeruniversität, aber auch die öffentliche Unterstützung, zugute kommen. // Europa, so hat neulich der indische Autor Pankaj Mishra geschrieben, habe seine Leuchtkraft verloren. Es habe früher mit seiner kulturellen und intellektuellen Kraft Vertrauen in die Allgemeingültigkeit seiner Erfahrungen und Lösungen erzeugt. Und dieses Vertrauen sei nun heute verlorengegangen. // Ich teile bei weitem nicht alles, was dieser Autor ausführt. Eines aber, was er sagt, halte ich doch für so wichtig, um es hier vorzutragen: Europa, so schreibt er, müsse die eigene kritische und kosmopolitische Tradition wiederbeleben, es brauche Offenheit, Widerspruch und kein homogenes Weltbild. // Wozu uns ein indischer Autor hiermit aufruft, ist doch nichts weiter als die alte und ewig junge Beschreibung von Aufgabe und Wesen der europäischen Universität, die in ihren guten Zeiten immer weltoffen war und die immer bereit war, auch fremde Erfahrungen aufzunehmen. Gehen wir also ans Werk. Gehen wir daran, diese, unsere europäische Universität wieder so lebendig werden zu lassen, dass es intellektuell gleichermaßen Herausforderung und Freude ist, an ihr zu lehren und zu lernen. // Enden wir, wie wir begonnen haben, mit Goethe: Als er im Alter von 16 Jahren daran ging, ein Studium aufzunehmen, gab es diese Frankfurter Universität noch nicht. So ging er nach Leipzig. Von dort schrieb er am 13. Oktober 1765 an seinen Vater: // "Sie können nicht glauben, was es eine schöne Sache um einen Professor ist. Ich bin ganz entzückt gewesen, da ich einige von diesen Leuten in ihrer Herrlichkeit sah!" Das waren noch Zeiten: Professoren in ihrer Herrlichkeit! Das ist irgendwie endgültig passé. Aber könnte es nicht möglich sein, die Universität als Ganzes, als Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, von Stiftern, Förderern und Bildungspolitikern zu einer neuen Herrlichkeit zu führen? Ich wüsste nicht, was ich dieser Goethe-Universität zu Frankfurt am heutigen Tage besseres wünschen könnte.
-
Erich Gerlach
Im internationalen Wettbewerb braucht man Spezialisten, nicht Universaldilettanten.
-
Dr. Theo Gumpelmayer
Hartlauer sollte nicht nur bei Fotoartikeln, sondern auch bei seinen Brillen einen Liter Wein dazugeben, damit man besser sieht.
-
Ephraim Kishon
Die Maler der Gegenwart tragen im Hof eines Irrenhauses einen Wettbewerb im Stabhochsprung aus - ohne Stab, ohne Latte und ohne Hoffnung.
-
Dr. Thomas Klestil
Ich bekenne mich zum freien Wettbewerb auch in der Medienbranche.
-
Dkfm. Ferdinand Lacina
Jene, die am Sonntag für den Wettbewerb sind, verhindern ihn unter der Woche.