Zitate von DIE ZEIT
Der einzig feste Grund unter Beckenbauers Autorität ist sein fußballerisches Können. Oder jedenfalls die verklärte Erinnerung daran. Das Aushängeschild des deutschen Fußballs spielte ausgesprochen undeutsch - lässig, elegant, verwegen. Daß er mit dem erhabenen Geschlurfe in knapp bemessenen Hosen heute nicht mal in der vierten Liga 20 Meter weit käme, tut seiner Fama keinen Abbruch. Er füllte nicht einfach die Position aus, auf die er gestellt wurde, sondern erfand für sich eine neue: die des Liberos, des freien Mannes.
Informationen über DIE ZEIT
Medium, Wochenzeitung, 20095 Hamburg, Speersort 1, Chefredakteur: Giovanni di Lorenzo. Erstmalige Erscheinung: 21. 2. 1946 (Deutschland, 1946).
DIE ZEIT · Geburtsdatum
DIE ZEIT ist heute 78 Jahre, 9 Monate, 3 Tage oder 28.766 Tage jung.
Geboren am 21.02.1946 in Hamburg
Sternzeichen: ♓ Fische
Unbekannt
Weitere 42 Zitate von DIE ZEIT
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"Er könnte sogar das einzige PDS-Direktmandat in Bayern gewinnen." Oder, wie ein anderes Bonmot sagt, auch Kanzler oder Papst werden. Nur die Reihenfolge müsse er noch festlegen. Das ist mindestens so unheimlich witzig - weil es die Sehnsucht nicht nur der Fußballfans nach der Auflösung des Politischen im Reich der Anekdote zeigt. Und die Bereitwilligkeit des Landes, einem Charmeur der Macht alles durchgehen zu lassen.
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Allzu viele sind bereit, die geringe Halbwertszeit eines kaiserlichen Gedankens als Folge übergroßer Höflichkeit zu entschuldigen. "Er will halt immer eine konkrete, keine diplomatische Anwort geben", sagt Jörg Wontorra, Beckenbauers Golf- und TV-Gesprächspartner. Außerdem könne er sich bei seinem schnellen Ansichtenwechsel ja auf prominente Vorbilder berufen. Hat nicht sogar Adenauer heute hü und morgen hott gesagt?
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Am besten wird man immer noch versorgt, wenn in der ARD das Duo Netzer und Delling auftritt: der alte Weltklassespieler gegen den schnoddrigen Mann vom Sender. Es ist wie bei Dinner for One. Man wird an diesem Abend nichts Neues erleben, das Alte aber in Perfektion.
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Anders als Boris Becker hat Beckenbauer nie die Intellektuellen fasziniert; ihm fehlt die Ambivalenz, der Wechsel zwischen Triumph und Absturz, Jungenhaftigkeit und Größenwahn, der selbstzerstörerische Ehrgeiz. Um keinen Job habe er sich gedrängt, aber er könne einfach nicht nein sagen, erzählen gute Freunde.
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Auch der designierte DFB-Präsident sieht seinen Sport nicht im Griff des Kaisers, sondern unter dem Druck der Journaille: "Weil Fußball immer eine Hypothese ist. Sie können immer behaupten: Wäre der da und jener weg, ginge es besser. Beweisen kann man das nie." Gelegentliches bajuwarisches Störfeuer trägt Mayer-Vorfelder mit Fassung.
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Beckenbauer ist der ideale Werbeträger für nahezu jedes Produkt, für Suppen und fürs Lesen, für gelben Strom, Mobiltelefone und Akkuschrauber ("Bohr'n mer mal!"). "Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Sicherheit" sehen seine vielen Geschäftspartner in ihm verkörpert, und dieses Image ist weder durch die Launenhaftigkeit der Diva noch durch die penetrante Allgegenwart ihrer Selbstzufriedenheit zu gefährden.
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Beckenbauers Wutausbrüche, zuletzt nach dem verlorenen Champions-League-Spiel in Lyon über die eigene Mannschaft, werden als Offenbarung des vermeintlich gesunden Menschenverstandes Wort für Wort nachgedruckt. Der Vater der Nation predigt der spätkapitalistischen Gesellschaft Moral und verlangt anständige Arbeit für anständiges Geld.
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Bevor die Lawine um die Gerüchte um ein uneheliches Kind vollends losbrach, beichtete Beckenbauer bei BILD - die Nation verzieh, wie immer. Mögen sich das Blatt und das Land sonst wochenlang an Samenraub und den Affären unverheirateter Männer aufgeilen - des Kaisers größte Boulevardgeschichte war nach zwei Tagen durch. Das ist sonst niemandem unter Springers Sonne vergönnt. Das ist die mächtigste Koalition im Land.
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Der bayerische Mann redet mit gespaltener Zunge, doch was verschlagen sein könnte, wird bei ihm als heilige Einfalt bewundert. Das Land lügt ihn sich schön als eine Art Fußball-Parzival, als Tumben, der es ganz nach oben bringt und dennoch ein netter Mensch bleibt.
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Der bayerische Tonfall läßt diese Rülpser der Volksseele als Naturereignis erscheinen. Und so ist Franz Beckenbauer der einzige Amtsinhaber und Multifunktionär der Bundesrepublik, der verzapfen kann, was er will, ohne ernsthaft kritisiert oder zur Verantwortung gezogen zu werden. Denn wer wollte einer Schlammlawine vorwerfen, daß sie sich ihren Weg sucht?
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Der bekannteste Deutsche der Welt. Der graumelierte Fanartikel der Nation.
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Der einzig feste Grund unter Beckenbauers Autorität ist sein fußballerisches Können. Oder jedenfalls die verklärte Erinnerung daran. Das Aushängeschild des deutschen Fußballs spielte ausgesprochen undeutsch - lässig, elegant, verwegen. Daß er mit dem erhabenen Geschlurfe in knapp bemessenen Hosen heute nicht mal in der vierten Liga 20 Meter weit käme, tut seiner Fama keinen Abbruch. Er füllte nicht einfach die Position aus, auf die er gestellt wurde, sondern erfand für sich eine neue: die des Liberos, des freien Mannes.
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Der Götterliebling schwebt bereits so weit über der Grasnarbe, daß er sich in aller Unschuld für Gott gleich hält und mal eben die Frage von Leben und Tod beanwortet - natürlich alles für einen guten Zweck: "Als Organspender bin ich selbst am Ende meines Lebens noch reich. Ich kann einem anderen das Leben schenken."
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Der Heilige von Giesing: kein verbissener Ehrgeizling, bloß ein Glückskind. Ein Multimillionär jenseits der Neidgrenze. Beckenbauer erweckt den Eindruck, als habe er an diesem Image nie aktiv gearbeitet. Er schien immer wunschlos glücklich - und wurde zur perfekten Projektionsfläche für die biederen Wünsche eines Volkes, das immer wieder im Fußball sich selbst ideal verkörpert sehen möchte. Jeder bekommt den Kaiser, den er verdient, oder: Alle Macht dem Tölpel.
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Der Instinkt für den richtigen Moment hat ihn auf dem Spielfeld und im Leben bislang nicht verlassen. Fast ein Jahr lang kreisten die Gerüchte um sein viertes, ein uneheliches Kind. Klatschblätter boten 30 000 Mark für ein Foto, Karikaturen zeigten ihn schon mit Babyschnuller, in der Bayern-Kabine wurde er als "der Kindsvater" verspottet.
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Devot wird über jede seiner Kapriolen gelacht, doch in eigener Sache versteht Beckenbauer keinen Spaß. Das hat der Dortmunder Satiriker Fritz Ekenga eindrucksvoll erfahren. Nach dem Finale der Champions League 1997 - Dortmund gewann ausgerechnet in München gegen Turin - durfte er bei RTL drei Minuten Ruhrpott-Gefühle loswerden. Dabei konnte er sich den Hinweis nicht verkneifen, daß dank seiner Borussia nun auch in München Fußball auf internationalem Niveau gespielt werde. Beckenbauer, als Comoderator im Studio, keifte wie der letzte Bolzplatzprimitive; nun weiß man, daß auch Wörter aus der Pißrinne des Stadions zu seinem aktiven Wortschatz gehören. "Er wurde mir peinlich", sagt Ekenga, der nicht den Weltmann, sondern die Fratze des Aufsteigers aus dem Kleinbürgertum zu sehen bekam.
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Die Fähigkeit zur spielerischen Grenzüberschreitung verlieh dem Künstler im Land der Fußballmalocher Autorität auch als Trainer. Seine Mannschaften waren nicht erfolgreich, weil Beckenbauer ein genialer Taktiger oder fleißiger Analytiker war. Die Generation Klopper, von Augenthaler bis Kohler, lebte in der begründeten Furcht, daß noch der Rentner Beckenbauer sie auf der Grundfläche einer Telefonzelle ausspielen würde.
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Die Fratze des Aufsteigers aus dem Kleinbürgertum ruht meist in Sicherheitsverwahrung hinter der Fassade des charmanten, offenen, zuverlässigen, großzügigen Beckenbauer. Der bei der Feier seines 50. Geburtstags jedem Gast eine teure Uhr schenkt. Der sich auch nach Jahrzehnten im internationalen Sport-Jet-Set eine kindliche Neugier bewahrt hat und einen arabischen Potentaten unbefangen nach der Funktionsweise eines Harems befragt. Der frei heraus redet über die esoterische Bastelarbeit, die er sein Weltbild nennt: hier ein bißchen Konfuzius, dort ein bißchen Wiedergeburt und indische Gelassenheit, schaun mer mal, der liebe Gott wird's schon richten.
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Die Kameras hängen an seinem Gesicht wie die Groupies am Hintern eines Teeniestars, und die Lavaters der Sport-Hofberichterstattung, die Töppis, Waldis und Rubis dieser Welt, versuchen zu ergründen, ob der Kaiser seinen Untertanten grollt oder doch nur ein Eisbein quer sitzen hat. Ach, Servin, du hast Beckenbauer mit deinem verschossenen Strafstoß in Mexiko zu dem gemacht, was er heute ist: unangreifbar. Unvermeidbar.
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Die Kritik muß die Kunst heute nicht so sehr vor ihren Feinden in Schutz nehmen als vielmehr vor sich selber und dem Betrieb, der um sie herum wuchert und mit dem sie immer mehr verwächst.