Zitate zu "ORF - Österreichischer Rundfunk"
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André Heller
LAUDATIO AUF GERD BACHER - Sein "Lebenswerk": Groucho Marx hatte bei Zusammentreffen mit Journalisten sicherheitshalber stets eine gedruckte Karte eingesteckt, die er, wenn der Interviewer rüpelhaft wurde oder sich sonst wie als inkompetent erwies, zückte und seinem Gegenüber vor die Augen hielt. Ich habe solch eine Karte mitgebracht. Darauf steht: "Ich vergesse nie ein Gesicht, aber in Ihrem Fall will ich eine Ausnahme machen." // Journalisten sind eine hochinteressante Rasse. Viele von ihnen tun sich - auch oder gerade wenn sie brillant sind - in ihrer Arbeit schwer, zuzugeben, dass sie etwas lieben. Das Negative, das Abkanzeln, das Heruntermachen, das bösartige Bewerten und Verhöhnen gelten - allerspätestens seit dem, wie ich glaube, in seiner Nachwirkung unseligen Karl Kraus - soviel mehr, als die viel dringender benötigte engagierte Ermutigung. Ich finde Kraus auch faszinierend und einzigartig, aber in seinen hochmütigen Hasserektionen, seinem hochproblematischen Frauenbild und seiner Abhängigkeit vom Misslungenen und der Dummheit anderer, um sich daran sprachlich hochranken zu können, stößt er mich zumeist ab. // Kein Beistrichfehler und kein Versprecher waren ihm zu gering, um dagegen nicht die ganze Macht seiner Begabung in die Schlacht zu werfen. Er besaß meiner Meinung nach außerdem zwar genialen Witz, aber überhaupt keinen Humor. Kein geeignetes Vorbild also. Ich plädiere - nach einer weiß Gott auch intensiven Karriere als Stänkerer - mittlerweile heftigst für die Haltung, nicht immer gegen etwas, sondern vielmehr für etwas zu sein. // Die Energie, die man aussendet, erhält man nämlich zurück. Also etwa: nicht gegen Krankheit, sondern für Gesundheit, oder: nicht - und dies kommt aus meinem Mund - gegen die Kloake von FPÖ und BZÖ, sondern für seelische und geistige Hygiene und politische Vernunft; nicht gegen den Musikantenstadel, sondern für Mozart, Strawinsky, Miles Davis, Bob Dylan und Youssoun D'our; nicht gegen menschenverachtenden und menschenverdummenden Journalismus, sondern für Gerd Bacher! Gerd Bacher ist nämlich ein fulminantes Prinzip, das da lautet: "Es interessiert mich nicht im Geringsten, es sei denn es hat Qualität". // Seine Zeit war ihm immer zu schade und seine Selbstachtung zu groß, um sich ein Flanieren in den Niederungen der Missgunst, Oberflächlichkeit, Großmannssucht oder gar G'schaftelhuberei zuzumuten. Aber für den innigen Anblick eines Mantegna-Gemäldes oder einer Konversation mit Ernst Bloch, für das Glück eines Filmes von Ingmar Bergman oder einer Inszenierung von Andrea Breth war er und ist er, auch in seinem jetzigen Alter, wenn es nicht anders geht, bereit den Jakobsweg von Anfang bis zum Ende zu marschieren. Er war schon lange vor Ingeborg Bachmann der Meinung, dass die Wahrheit dem Menschen zumutbar ist und er hat diesbezüglich seine Freunde nicht geschont, von den Feinden gar nicht zu reden. // Bruno Kreisky hat mich einmal angefaucht: "Du mit Deinem Gerd Bacher." Und ich habe ihm, und dafür gibt es Kreiskys damaligen Kabinettchef Wolfgang Petritsch als Zeugen, geantwortet: "Du wärst per saldo weniger schlecht aufgelegt, wenn du einen Freund wie Gerd Bacher hättest." // Allein zu wissen, dass in Salzburg oder Wien, und an besonders gesegneten Tagen, in Gardone Riviera ein Mensch sitzt, auf den man sich so verlassen kann wie man es sich vom eigenen Vater immer vergeblich gewünscht hat, ist ein Glück von funkelnden Graden. Jemand, mit dem ein Gespräch immer eine schöne Fallhöhe haben wird, jemand, mit dem man virtuos streiten kann, in der Gewissheit, dass dies die gegenseitige Zuneigung nur noch beflügeln wird. Ich sage übrigens Zuneigung, weil dies eine öffentliche Veranstaltung ist und bei solchen Anlässen eine gewisse Zurückhaltung zur Etikette gehört. Ich sage Zuneigung, aber meinen tu ich Liebe - ganz richtige bedingungslose Liebe. // Ohne Liebe würden wir einige unserer Unterschiedlichkeiten nicht seit genau 40 Jahren beständig weglachen. Gerd ist ein heimatloser Rechter, ich ein heimatloser Linker. Er war für Wolfgang Schüssel, ich war und bin für Alfred Gusenbauer. Er möchte in Italien gerne häufig Ausflüge in Haubenlokale unternehmen, ich bin der Ansicht, dass die Küche von Barbara in meinem eigenen Haus italienisches Haubenlokal genug ist. Aber in den wirklich wichtigen Dingen des Lebens, im Beurteilen von Biografien zum Beispiel, der Bewunderung und der Dankbarkeit für Winston Churchill, dem Ekel vor den Nazis und vor jenen, die immer gleich Nazis wittern, wo eigentlich nur Deppen zu sehen sind, der Sehnsucht nach den heilenden Energien des Südens, der Süchtigkeit nach Schönheit und Tiefe in der Natur ebenso wie in den Künsten und der Bewunderung für die kostbaren Frauen unseres Herzens oder der Freude über unsere Kinder, in diesen wichtigsten der wichtigen Themen sind wir uns einig. // Niemand auf Erden beschäftigt der ORF mehr als Gerd Bacher: Mich interessiert das Schicksal des öffentlich rechtlichen Fernsehens und Rundfunks in unserem Land auch sehr, aber es macht mich nicht schlaflos. Wer Gerd trifft, trifft immer auch seine Sorge um den ORF. Wie auch nicht, er hat ihn ja in seiner schönsten, imponierendsten Form erfunden bzw. die begabtesten Feuerköpfe um sich geschart, um ihn erfinden zu lassen. Bacher war der fähigste, innovativste, gebildetste, risikobereiteste, querdenkerischste Generalintendant, den das Unternehmen je hatte und man riskiert wenig, wenn man hinzufügt: auch jemals haben wird. // Ich durfte ja als Zwanzigjähriger ein Mitglied dieses Medien-Goldrausch-Teams anno 67 sein und weiß, wie ernst es uns damit war, dieses Land zu durchlüften, die Loden-Nebel zu vertreiben und Österarm, wie ich es damals nannte, mit sich selbst und der Außenwelt besser bekannt zu machen - ja, wenn irgend möglich, auf einen anderen, wacheren und engagierteren Ton zu stimmen. Dass dann gerade jener, dem die Früchte unseres Witzes und unseres Zorns und unserer Programmlust am allermeisten politisch nützte, nämlich Bruno Kreisky, in seiner Es-darf-keine-Götter-neben-mir-geben-Hybris, zum nimmermüden Bacher-Bekämpfer und auch -Demontierer wurde, ist eine grausliche Pointe. Kreisky hat aber im Jahr 1978 zwei fulminante Niederlagen einstecken müssen. // Den Ausgang der Zwentendorf-Anti-AKW-Abstimmung und Bachers Rückkehr an die Spitze des ORF. Es war für den alten Rotfuchs sicherlich keine nutzlose Erfahrung, dass auch andere schlau und wirksam sein konnten. Die Arbeiterzeitung titelte 28. September 1978: "Morgen Wahl des Generalintendanten. Bacher ohne jede Chance." Am darauffolgenden Abend beglückte uns die SPÖ-eigene Kärntner Volkszeitung mit einer der witzigsten Leistungen der österreichischen Schlagzeilenkunst: "Kreisky in Paris, Benya in Sofia, Bacher im ORF." Gerd Bacher ist durchaus gelegentlich von sich selbst beeindruckt, aber warum sollte es ihm mit ihm selbst anders ergehen als uns mit ihm. Er ist sehr beeindruckend. // Ich kenne von ihm und über ihn Geschichten, für die Sie, illustre Zuhörer, mit Sicherheit einiges geben würden, wenn Sie sie auch kennten. Geschichten aus jener kleinen Welt, in der die große ihre Probe hält, aber auch ganz und gar Weltläufiges, denn er war ja auch Molden-Verlagsleiter und Boulevard- und Qualitätszeitungschefredakteur und Helmut Kohls Medienberater und Wahlkampf-Koryphäe und Herausgeber der Presse und kritischer Intimus des mythenumwehten Faszinosums Leo Kirch und um Haaresbreite - wenn Kreisky nicht Willi Brandt angefleht hätte, das zu verhindern - Chef des ZDF und Josef Krainer Junior wollte ihn zum ÖVP-Generalsekretär ausrufen. Was da Gerd und der ÖVP erspart blieb, kann man sich auch bei größter Phantasie nur in sehr schwachen Umrissen ausmalen. // Heute ist Gerd Bacher nach wie vor ein neugieriger, in Ausbildung stehender, geistreicher Herr mit beneidenswerter Analysefähigkeit. Wenn man den armseligen Niedergang einer bestimmten abendländischen Kultur an etwas festmachen wollte, dann eignete sich hierfür besonders unser Umgang mit älteren Meisterinnen und Meistern. Die weitverbreitete Gewissheit, dass ein relativ unerfahrenes, in Anmaßungen schwelgendes, ungeschnäuztes Bürschlein oder Mädlein a priori auf Grund seiner Jugend für wesentliche Positionen besser geeignet ist, als ein erfahrener, souveräner, genügend gesunder älterer Mensch, teile ich nicht. Dass man gerade jene, die am meisten wissen und sich nichts mehr panisch beweisen müssen, die Herrschaften mit der ziemlich befriedigten Eitelkeit und der ruhigen, in substantiellen Schlachten erprobten, Hand, nicht tagtäglich als Regulativ um kluge Auskunft bittet, merkt man unserer Gesellschaft und deren Gestaltungsmustern tragisch an. // Was Gerd Bacher mit Alfred Gusenbauer gemeinsam hat, ist, dass er in mancher Hinsicht radikal beratungsresistent ist. Ich bitte Gerd seit Jahrzehnten seine Erinnerungen aufzuschreiben. Er weigert sich beharrlich das zu tun und erzählt mir dann, wie zum Hohn, immer weitere atemberaubend spannende oder groteske, in jedem Fall überlieferungswerte Begebenheiten aus seiner merkwürdigen Biografie. Jüngst zum Beispiel seine bizarren Verstrickungen in den Südtiroler Freiheitskampf. Im Jahre 1940 hat der heute zu Ehrende in Salzburg als Hitlerjunge von seinem Bannführer wegen uninteressiertem und ungehörigem Betragen als Kuhhirte eine brachiale Ohrfeige erhalten, die ihn zu einem besseren Mitglied der Herrenrasse machen sollte. Gerd, wenn Du keine Memoiren schreibst, prophezeie ich Dir so etwas Entfernt-Ähnliches beim Jüngsten Gericht. // Gott wird verlangen, dass Du vortrittst und dann sagen: "Ich hab Dich so viel erleben lassen und Du bist zu faul oder zu arrogant gewesen, es für andere als Lehrstück aufzuschreiben." Und dann wird er Dir vor allen anderen Auferstandenen aller Zeiten eine himmlische Watschen auflegen, dass Du über 41 Wolken segelst und ich werde vielleicht als einziger zustimmend applaudieren. // Heute jedenfalls hast Du nichts zu befürchten. Du wirst wieder einmal für Deine Lebensleistung geehrt. Alle hier Versammelten und meine Wenigkeit gratulieren aus freudigem Herzen.
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Marcel Hirscher
Ich bin wirklich peinlich berührt und enttäuscht von manchen Menschen, die in einer Online-Redaktion hocken und deren größte Sorge ist, dass der Kaffeeautomat in der Früh funktioniert, die aber selbst noch nie auf Ski gestanden sind und sich jetzt ein Urteil anmaßen. Manche Berichte waren wie ein Tritt in den Hintern. Das zeigt, wie viel Schein in dem Geschäft ist.
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Marcel Hirscher
Saumäßig . . . (Meistverwendetes Wort des 6-fachen Ski-Weltcup-Gesamtsiegers bei Interviews).
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Robert Hochner
. . . und zum Schluss der Sendung müssen wir Sie noch mit den Wetteraussichten für morgen anlügen!
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Robert Hochner
Das ist eine Grundsatzfrage, nicht zu trennen von der Frage der Konzentration, die ja Ihr Thema ist. Nehmen wir noch einmal England. Jetzt stehen dort Wahlen bevor. Das Beste für den armen William Haig wäre, die Wahl würde nicht stattfinden. Das wird eine derartige Niederlage. Daher ist es dort ziemlich wurscht, ob die "Sun" jetzt für Tony Blair schreibt oder nicht. Aber stellen Sie sich eine Situation vor, in England oder Österreich, wo es knapp ist, wirklich knapp. Wer entscheidet dann? Die Fellner-Gruppe, der Herr Dichand und wer immer dann den ORF kontrolliert. Diese drei entscheiden in Wirklichkeit, wer die nächste Regierung ist. Und ob das denen, die das Zulassen, dann so lustig erscheint, weiß ich nicht.
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Robert Hochner
Der ORF ist eine für ein kleines Land vergleichsweise riesengroße Anstalt. Ich glaube nicht, daß es ein Land vergleichbarer Größe mit so einer großen Anstalt gibt: zwei Fernsehprogramme, zwei nationale Radioprogramme, neun regionale Bundesland-Programme und, und, und. Das haben alle gewußt und gewollt. Sie haben gesagt: Das ist ein Teil der österreichischen Identität. Die Größe des ORF ist aufgrund der Kleinheit des Landes nur finanzierbar über Werbung. Alle haben gesagt: Wunderbar! Werbts, dann müssen wir die Gebühren nicht erhöhen. Gerd Bacher hat immer jedem, der es hören wollte, zur Frage des Monopols gesagt: " Als Alleingeschäftsführer muß ich das Monopol mit Zähnen und Klauen verteidigen." Wie Gerhard Weis das jetzt tut. "Aber - als Demokrat", sagte Bacher, "kann ich's wieder nicht verteidigen." Jetzt haben sich die Zeiten natürlich geändert. Demokratiepolitisch muß es jetzt Platz, und zwar ökonomisch vernünftigen Platz inklusive der Frequenzen, für ein privates Fernsehen geben. Dafür muß ich dem ORF Millionen, vielleicht Milliarden wegnehmen. Daß diese Milliarden vermutlich ziemlich direttissima in Deutschland landen, ist eine andere Sache. Ein österreichisches Fernsehen kann und will sich der Private nicht leisten. Es gibt nicht die Programme, es gibt nicht die Filme dazu. Er kann österreichische Nachrichten machen, das kann man ins Privatfernsehgesetz hineinschreiben. So wie in Deutschland, da gibts einen gewissen Mindestanteil. RTL ist gerade wieder von den Landesmedienanstalten kritisiert worden. Und man kann ihnen natürlich auch gewisse Auflagen geben, etwa die, keine Pornographie zu senden. Das ist alles eine Selbstverständlichkeit. Und dann kan man ihnen sagen: Werbt, werbt, werbt.
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Robert Hochner
Der ORF ist eine für ein kleines Land vergleichsweise riesengroße Anstalt. Ich glaube nicht, daß es ein Land vergleichbarer Größe mit so einer großen Anstalt gibt. (In seinem letzten Interview "Gespräch zum Abschied, nur ein paar Gedanken" mit Armin Thurnher).
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Robert Hochner
Die Behauptung, wenn man mit Qualität Quote verliert, dann macht man was falsch, halte ich für skurril. Ich habe jetzt die Quoten gesehen von dieser ganz guten - da kann man drüber streiten - Guido-Knopp-Serie. Die schlechteste Quote hatte "Holocaust", und die beste hatte "Hitlers Frauen". War der Film über den Holocaust schlechter? Nein! Also Qualität kostet. Die Herstellung eines Films kostet. Die Verteilung im Fernsehen kostet fast nix. Hätte Österreich neunzig Millionen Zuschauer, könnten wir vielleicht sogar mit niedrigeren Gebühren leben. Wenn Sie der ARD heute die Werbung wegnehmen, merkt sie es nicht. Wenn Sie dem ZDF die Werbung wegnehmen, merkt es das gerade noch. Noch werden gewisse Softwarerechte - und das hat sich vielleicht noch nicht zu den Politikern durchgesprochen - immer teurer. Natürlich kann man in Österreich dem ORF Geld wegnehmen, um Platz für ein Privatfernsehen zu schaffen. Und die nächste Fußball-WM läuft beim Privaten, damit er endlich einen Durchbruch hat. Man kann über alles reden. Aber man sollte die Argumente fair klären, und daher bin ich dafür, daß man erstens das Tempo reduziert. Diese Schnelligkeit, mit der da etwas so Sensibles wie der Medienmarkt reformiert wird, noch dazu in einem Land, das bald fast keine Zeitungen mehr hat, legt den Verdacht nahe, es soll schnell, schnell gehen, damit keiner genau hinschaut. Ich sehe den Grund für die Eile nicht. Okay, ja, das Urteil von Straßburg. Das ist lang her. Dazu die Details. Wenn der Stiftungsrat wirklich auch die Macht hat, achtzig Spitzenpositionen zu besetzen, heißt das, daß jeder Ressortleiter, wahrscheinlich sogar jeder Moderator, wenn man es zusammenzählt, nicht vom Alleingeschäftsführer gewählt wird, sondern von einem Gremium darüber. Ich versuche das jetzt unabhängig von meiner persönlichen Situation zu sehen, die das Weltbild insgesamt nicht optimistisch färbt. Ich bin überzeugt davon, daß der Großteil meiner Kollegen durchaus in der Lage ist, auch unter schwierigen Rahmenbedingungen ihre Arbeit so zu machen - sie haben ja viel auch auf ihrer Seite: Der ORF ist beliebt, der ORF ist angesehen, dem ORF wird geglaubt. Es ist ja nicht so, daß hier jetzt sozusagen die Trümmer von etwas beseitigt werden müssen, sondern der ORF hat ja etwas geschaffen. Und das ist zu verteidigen, und zwar nicht durch Pressekonferenzen, Symposien, sondern durch die tägliche Arbeit, dort findet der Beweis statt.
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Robert Hochner
Die Rache der Journalisten an den Politikern ist das Archiv.
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Robert Hochner
Die Regierungspolitik ist meist leicht zu kritisieren, wie diese ebenso patscherte Einführung und noch patschertere "Reperatur" der Unfallrentenbesteuerung. Aber nehmen wir etwas Gesellschaftspolitisches. Was fällt mir wirklich gegen das Kindergeld ein? Ist es so einfach zu sagen: Alle Frauen an den Herd! - wenn man gleichzeitig weiß, daß geschätzte 50.000 bis 60.000 Frauen Geld kriegen, die vorher nichts hatten? Das hätte ja den anderen auch einfallen können. Also, da muß ich mich vorbereiten. Jetzt nur wehleidig zu sagen: Diese bösen Politiker, die schleifen mich vor die Rundfunkkommission und in Zukunft meinetwegen vor Gericht, das reicht nicht. Im Journalismus, das haben wir in gewissen Phasen auch im ORF immer erlebt, kann ich nicht am Abend ins Bett gehen und annehmen, daß der Freiraum, den ich mir am Tag vorher erkämpft habe, in der Früh noch so da ist, wie er gestern war. Noch dazu, wenn sich herausstellen sollte, daß die Regierung - egal welche - in irgendwelchen Schwierigkeiten ist.
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Robert Hochner
Die will ich nicht beurteilen. Zeiler hat dieses Unternehmen kommerzialisiert. Sagen die Bösartigen. Die, die ein bißchen realistischer sind, sagen: Es war ein Unternehmen, wo Leute in der Kantine gesessen sind und gesagt haben - ich überspitz': "Du, ich hab gestern eine tolle Sendung gemacht! Kein Schwein hat zugeschaut." Dem Unternehmen beizubringen, daß die Zahl der Zuschauer und die Zufriedenheit der Zuschauer auch ein Wert sind, war im Innenverhältnis vorher nicht drin. Gerd Bacher verdanke ich persönlich mehrfach mein Leben im ORF und meine Karriere, es gibt niemanden, dem ich strukturell mehr zu verdanken habe als ihm, er war der Eisbrecher für die Informationsoffensive im ORF, keine Frage. Aber er hat zur Unterhaltung keinen Draht gehabt. Er hat Ö3 gespielt, weil ihm wer gesagt hat, das brauchen wir. Wenn er gekonnt hätte, hätte Bacher den ersten 24-Stunden-Nachrichtensender der Welt eingerichtet, lang vor Ted Turner. Die Schwierigkeit ist, daß man damit auf Dauer nicht überleben kann. Viele haben ja, glaube ich, heimlich gehofft, daß der ORF von selber w.o. gibt. Sich einfach auf den Rücken legt wie eine Schildkröte, und das ist es dann. Das hat weder der Persönlichkeit des Zeiler noch seiner Strategie entsprochen. Zeiler hat Marktanteile aggressiv in einem Markt verteidigt, in dem alle drei Monate noch ein Privatsender dahergekommen ist. Er hat Marktanteile zurückgeholt. Das war für das Unternehmen sehr wichtig. Er hat mit der Politik gemeinsam Werbezeitenausweitungen erreicht. Dinge, um die der Bacher immer gekämpft hatte. Der soll nicht so tun, als wärs nicht so gewesen. Bacher hat nie in seinem Leben eine freie Werbesekunde hergeschenkt. Sondern hat immer gefragt: Und was ist mit den Feiertagen? Und was ist mit dem und jenem? Das war das eine. Das Zweite, kommerziell gesehen, war Bogdan Roscic. Auch bei Ö3 haben alle gesagt: Wusch, jetzt kommt das Privatradio, und jetzt ist Ö3 kaputt. Es ist genau umgekehrt ausgegangen. Ö3 lebt fröhlich. Ich kanns nur nicht mehr anhören. Jetzt bin ich mit Radio Wien bestens bedient.
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Robert Hochner
Die wirklich wichtigen Entscheidungen im ORF werden sehr oft nicht in großen Sitzungen getroffen, sondern wenn sich zwei Entscheidungsträger in der Nähe der Herrentoilette treffen.
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Robert Hochner
Dieser Auftrag geht weitgehend weg. In gewissen Bereichen gehört er noch immer dazu, und in gewissen Bereichen ist es ein Unterhaltungsmedium geworden. Ich habe ein bißchen einen Horror, wenn Politiker dem Fernsehen, und zwar egal, in welchem Land, erklären, was Qualität ist oder zu sein hat. Auf der anderen Seite ist es völlig legitim, daß es Grenzen gibt, daß man keine Pornographie senden darf oder Gewalt. Andererseits halte ich diesen Versuch der Regelung für absurd, in dem Umfeld, in dem wir leben. Es gibt meines Wissens auf der Welt, schon gar nicht in Europa, keinen Sender, der einer härteren Konkurrenz ausgesetzt ist als der ORF. Wir haben 32 oder 33 deutsche Programme, die auf ein rein Deutsch sprechendes Publikum hereinstrahlen. Die Schweiz spricht Deutsch, Italienisch, Französisch. Also sind wir als kleine Landschaft einem Druck ausgesetzt wie niemand, und das erfordert natürlich auch Sonderbedingungen. Eine private Fernsehanstalt dagegen ist eine Gelddruckfabrik. Ihr einziges Kriterium ist: Wie viel Geld kommt hinten raus? Wenn etwas so organisiert ist, dann brauch ich mich nicht zu wundern, wie es vorne am Schirm ausschaut. Ganz einfach.
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Robert Hochner
Es ist immer ein Spiel. Zuerst sagten die Politiker nichts. Dann kam der ORF und hat Interview gelernt. Noch in den Achtzigerjahren gab's Politiker, die man relativ leicht auf's Eis führen konnte. Dann haben die Politiker wieder nachgezogen, haben gelernt, Schulungen und Coachings gemacht. Politiker wurden zum Teil wegen ihrer Telegenität ausgesucht. Gewisse Politiker der Nachkriegszeit hätten heute im Fernsehen kaum eine Chance. Als nächste Stufe kommt - und das ist keine österreichische Erfindung - die Inszenierung. Da darf nichts schief gehen, ein Parteitag ist kein Parteitag, das ist ein Fernsehspiel. Komplett gescriptet, inklusive der Fernsehaufnahmen, der Hintergründe. Das machen jetzt alle. Und die Frage ist, was dem Fernsehen dazu einfällt. Erstens, glaube ich, muß man Inszenierungen transparent machen. Nicht lächerlich machen, aber sagen, hier wird etwas dargestellt, und diese und jene Themen kommen nicht vor.
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Robert Hochner
Es ist in dieser Brutalität, glaube ich, neu. Ich sage das als Außenstehender, der es nur zum Teil oder ganz wenig selber miterlebt hat. Wenn der Herr Klubobmann Westenthaler noch im Frühjahr sagt: "Die Linken gehören ausg'ramt" oder so ähnlich, und jetzt sagt er: "Wir entpolitisieren" - habe ich ein gewisses Problem mit seiner Glaubwürdigkeit. Dazu kommt bei der ÖVP - und ich komme aus einem bürgerlichen Haushalt - so etwas wie ein politischer 13-Jahres-Alzheimer. Da ist eine Partei 13 Jahre lang mit an der Macht, auch im ORF natürlich, und kann sich nicht daran erinnern. Bei gewissen Posten brauchten sich die, die bei der falschen Gruppe waren, ja gar nicht zu bewerben. Als Chefredakteur Franz Kreuzer weg war, war völlig klar, daß der Chefredakteur danach ÖVP war, genauso wie für diesen Posten hätte ich mich für den Pulitzerpreis bewerben können. Sinnlos. Genau dasselbe auf der anderen Seite. Natürlich kamen dann Leute und haben gesagt: "Bitte, bewirb dich!" Damit die Sache ein Gesicht hat. Aber jetzt so zu tun, als ob die ÖVP nie Wünsche geäußert hätte!
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Robert Hochner
Fernsehen ist keine Kanzel. Leute mit Sendungsbewußtsein gehören in die Sendetechnik.
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Robert Hochner
Ich habe gewußt, wenn mir Ö3 gefällt, machen sie was falsch. Und wenn mir "Taxi Orange" gefällt, machen sie auch was falsch. "Taxi Orange" finde ich nicht lustig. Ich finds so spannend wie "der Farbe beim Trocknen zuzuschauen", wie die Amerikaner sagen. Nur bin ich fair genug zu wissen: Wenn es mir gefällt, dann können sie es gleich weghauen. Weil ich so weit jenseits der Zielgruppe bin. Und das ist ein Zielgruppenprogramm gegen ein aggressives Zielgruppenprogramm, nämlich "Big Brother", das dem ORF etwas weggenommen hätte, in einer für die Werbung irrwitzig relevanten Gruppe, nämlich bei den 14- bis 28-Jährigen. Der ORF mußte es wohl machen. Er kann sagen: Hurra, wir sind so anständig, wir gehen unter. Wie früher das österreichische Fußballnationalteam. Immer in Schönheit sterben.
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Robert Hochner
Ich sag's jetzt einmal polemisch: Wenn eine Regierung, die sich bei so vielen Gesetzen, was die Kosten angeht, so verschätzt hat, von der Ambulanzgebühr angefangen, dem ORF erklärt, welche Kosten oder Nichtkosten ihm erwachsen, bin ich skeptisch. Da denk ich mir: Das wissen die im ORF ein bißchen besser. Daß die im ORF natürlich vermutlich die schwärzere Variante nehmen, ist auch logisch. Aber mir gehts um die Ehrlichkeit einer Diskussion. Man muß sagen: in Ordnung, gut, der ORF kriegt weniger Geld, damit Platz für Werbung ist. Der Einzige, dem bis jetzt die Wahrheit rausgerutscht ist, war der Herr Morak bei euch im "Falter", der hat gesagt: Natürlich ist diese absurd klingende Beschränkung in Sachen Medienwerbung eine Starthilfe für die Privaten. Privatfernsehen kann auch für den ORF im Bereich der Nachrichten durchaus positiv sein. Ein Moderator, dem der ORF nicht paßt, der hat derzeit null Chancen im elektronischen Medium. Null. Der kann nach Deutschland gehen. Tun ja viele. Gut. Mann kann auf der anderen Seite auch argumentieren, daß die Alpen ein sensibles Gebiet sind und wir nicht daran denken, für die Alpen und für den Alpenverkehr dieselben Werte gelten zu lassen wie meinetwegen in Holland, im Flachland. Daraus folgt, wir sind eine nationale Fernsehanstalt, der ORF ist ein Teil der nationalen Identität, und die EU soll uns bitte buckerlfünfern. Daß der ORF meiner bescheidenen Meinung nach gewisse Fehler gemacht hat, indem er die Kommerzialisierung - und zwar an Stellen, die, glaub' ich, für den wirtschaftlichen Gesamterfolg unwichtig waren - übertrieben hat, ist wieder etwas anderes.
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Robert Hochner
Ich sehe mich als "leidenschaftlicher Nichtteilnehmer" diverser gesellschaftlicher Spektakel. Leute, die in der Öffentlichkeit stehen, haben eine Verpflichtung bewußtseinsbildend zu agieren.
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Robert Hochner
Ich weiß nicht, was am Schreibtisch von Herrn Weis liegt und was er den ganzen Tag lang hört. Da will ich mich nicht einmischen. Solange es keine unsauberen Strategien sind, solange sie am Schluß ein für den ORF positives Bild bringen, ohne die Grundprinzipien des ORF zu verletzen, kann man wenig einwenden. Der Bundeskanzler oder wer immer kann ja erzählen, was er will. Unser Problem ist: Wir im ORF sind ja auch in unseren Gegenäußerungen, soweit sie über die Nachrichten laufen, ans Objektivitätsgebot gebunden. Wir kämpfen sozusagen mit einem Arm hinter dem Rücken.